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Seite:Meyers b8 s0073.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

Produktion und Verkehr verleihen dem H. des 19. Jahrh. ein neues Gepräge. Er wird zum allgemeinen Welthandel, er zieht alle Völker in seine Kreise hinein. Zwar läßt sich noch von einem größern oder geringern Anteil einzelner Staaten der abendländischen Kultur an diesem Getriebe sprechen, allein kein einziger derselben kann jetzt ohne Teilnahme am Welthandel gedacht werden. Europa wird in seinem ganzen Wirtschaftsleben von Asien und Amerika beeinflußt. Ostindien, welches fast drei Jahrhunderte hindurch den mächtigsten Einfluß auf den H. genommen hatte, wird seit dem Ende des 18. Jahrh. durch die Impulse, welche von Amerika ausgehen, zurückgedrängt. Bald nachdem sich die Folgen der Kolonisation des amerikanischen Festlandes wirtschaftlich zu äußern begonnen hatten, wurde durch die Losreißung der englischen Kolonien in Nordamerika ein wichtiger Wendepunkt herbeigeführt. Der Strom der europäischen Einwanderung ergoß sich in breiterm Bett in die fruchtbaren Ebenen des neuen Kontinents, und die Einwanderer wurden nun die stärksten Verbraucher europäischer Fabrikate, während eigne Rohprodukte einen immer größern Markt in Europa fanden. Unter dem Einfluß von Dampfkraft und Großindustrie begannen H. und Verkehr mächtig anzuschwellen; die internationale Arbeitsteilung machte riesige Fortschritte. Bisher hatte man die Rohprodukte überwiegend in dem Erzeugungsland verarbeitet; seitdem man mit Maschinen arbeitete, überwog die Ersparnis an Arbeitslöhnen die Kosten der Fracht für das Rohmaterial und der Rückfracht für das Fabrikat. Dazu kam der rasch um sich greifende Verbrauch der ebenfalls billiger gewordenen Genuß- und Reizmittel, die aus den Kolonialländern in großen Mengen herbeigeschafft werden konnten. Die alten Kommunikationsmittel genügten dem Weltverkehr nicht mehr; die Eisenbahnen, die Dampfschiffahrt sorgten dafür, daß dieselbe Naturkraft, welche die Produktion der Güter gesteigert hatte, auch ihren Transport steigerte. Das Geld- und Kreditwesen ward von Grund aus umgestaltet, in den Anschauungen über die Aufgaben der Handelspolitik trat ein großer Umschwung ein, und an Stelle der aus dem merkantilistischen Zeitalter noch herrührenden Prohibitionen wurden neue Grundsätze des Schutzzolles mit dem Hinblick auf die allmählich anzustrebende Handelsfreiheit zur Richtschnur.

An der Spitze der ganzen Bewegung steht seit der Mitte des 18. Jahrh. Großbritannien. Die Ursachen, welche dort eine so günstige Entwickelung von H. und Industrie bewirkten, sind: die Großindustrien, welche den Weltmarkt aufsuchen mußten; die mächtige Handelsflotte und die großartigen Kommunikationsanlagen im Innern des Landes; die vorgeschrittenen Einrichtungen des Bankwesens; die Wiederanknüpfung des Verkehrs mit den amerikanischen Freistaaten nach dem Unabhängigkeitskrieg und der dadurch gewonnene Einfluß auf den transatlantischen H.; die klugen Reformen in der Handels- wie in der Kolonialpolitik, welche zur Sicherung Kanadas, zur raschen Ausbreitung in Ostindien, zur Kultivation von Australien und zur Hebung der Niederlassungen in Afrika führten. Von den übrigen Staaten sind zwar die Niederlande nicht mehr als erste Handelsmacht zu nennen, doch behaupteten sie sich durch kluge Reformen ihrer Kolonialpolitik und durch den Übergang zum Freihandel als ein bedeutendes Glied im Verkehr mit Ostasien. Frankreichs H. erlitt durch die Kriege im Zeitalter der Republik und des ersten Kaiserreichs die empfindlichsten Einbußen, und erst seit dem Beginn der 60er Jahre tritt zusammenhängend mit dem Umschwung der äußern Handelspolitik ein mächtiger Aufschwung im Anteil am Welthandel ein. In Deutschland vollzog sich in den Friedensjahren die innere gewerbliche und kommerzielle Erziehung, und mit der Gründung des Zollvereins (s. d.) wurde die Grundlage der in der neuesten Zeit erfolgten großartigen Entwickelung der Schiffahrts- und Handelsverhältnisse gelegt. Hamburg und Bremen, deren H. noch zu Ende des 18. Jahrh. einen ausschließlich europäischen Charakter hatte, schwangen sich zu Welthandelsplätzen empor; auch die übrigen Häfen der Nord- und Ostsee wurden allmählich in spezielle Richtungen des überseeischen Verkehrs einbezogen. Österreich litt in der ganzen Periode des Friedens unter den nachteiligen Folgen einer prohibitiven Handelspolitik und der Abschließung gegen die geistigen und wirtschaftlichen Strömungen der Westmächte; erst in der zweiten Hälfte der 50er Jahre beginnt sein Anteil am H. überhaupt eine Beachtung zu verdienen. Auf die übrigen Länder werden wir im folgenden Abschnitt zurückkommen.

Um den jetzigen Zustand des Welthandels und den Anteil der einzelnen Länder an demselben richtig zu würdigen, bringen wir einige statistische Daten. Dieselben bieten freilich nicht volle Genauigkeit, sie geben nur grobe Umrisse des Verlaufs der Erscheinungen; bei mehrjährigen Vergleichen wird aber ein Teil der Fehlerquellen getilgt, und die Gesamtziffern lassen immerhin ein richtiges Urteil über den Gang des Welthandels im großen und ganzen zu. Nach ältern Zusammenstellungen (von Kolb) sollen die Gesamtumsätze aller Länder der Erde, d. h. Einfuhr und Ausfuhr zusammengerechnet, um 1860 etwa 30,000 Mill. Mk. und um 1866: 36,600 Mill. Mk. betragen haben. Nach neuern, auf offiziellen Quellen beruhenden Vergleichen (von Neumann-Spallart) nahmen die Gesamtumsätze in nachstehender Progression zu:

  Einfuhr: Ausfuhr: Gesamter
Außenhandel:
1867–68: 23314 Mill. Mk. 20900 Mill. Mk. 44214 Mill. Mk.
1869–70: 24326 22014 46340
1872–73: 31088 26677 57765
1874–75: 29006 25793 54799
1876: 29868 25939 55807
1877: 29457 27108 56565
1878: 30173 27188 57361
1879: 31425 27099 58524
1880: 34262 29561 63823
1881: 34178 30214 64392
1882: 35933 31193 67127
1883: 36232 31565 67797
1884: 34539 30434 64973

Zwar sind diese Summen auf den Spezialhandel basiert, soweit derselbe aus den Handelsausweisen ersichtlich ist; sie vermeiden also den Irrtum wiederholter Einrechnungen der Warenumsätze, wie sie im eigentlichen Zwischenhandel und bloßen Transit bewerkstelligt werden. Trotzdem ist es unvermeidlich, daß die nämliche Ware in den verschiedenen Staaten mehrmals als Handelsgut aufgeführt wird. Abgesehen davon, hat man die Gesamtsummen der Welthandelswerte mindestens auf die Hälfte zu reduzieren, um den wirklichen Wert der nachweisbar in den Außenhandel gelangten Warenmenge annähernd zu kennen, weil eine und dieselbe Ware in diesen Übersichten mindestens zweimal angerechnet wird: in der Ausfuhr des einen und in der Einfuhr des andern Landes. Immerhin bleibt doch die Thatsache erweisbar, daß die Welthandelsumsätze seit 20 Jahren um mehr als 80 Proz. und seit 10 Jahren um nahezu 25 Proz. zugenommen haben. Die größte sprungweise Zunahme

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0073.jpg&oldid=- (Version vom 3.3.2025)