verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7 | |
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Was die geographische Verbreitung der G. anbelangt, so ist es unzweifelhaft, daß sie in der heißen Zone sowohl heftiger als auch häufiger (auf Java jährlich bis 150 im Durchschnitt) sind als in der gemäßigten, und daß ihre Anzahl zwar nach den Polen hin abnimmt, aber daß sich in der Häufigkeit der G. in allen Erdregionen lokale Einflüsse unverkennbar geltend machen. So gibt es auch warme Länder, wo die G. selten sind, wie in Ägypten, oder wo sie ganz fehlen, wie in Unterperu. In Lima kennen die Bewohner weder Blitz noch Donner. Über die gemäßigte Zone hinaus werden die G. desto seltener, je mehr man sich den Polen nähert, fehlen aber nicht vollständig. Was die Verteilung der G. auf die verschiedenen Jahreszeiten betrifft, so tritt in der heißen Zone das Maximum der G. mit dem höchsten Sonnenstand und der Regenzeit ein. Im westlichen Europa fällt ungefähr die Hälfte aller G. auf den Sommer, ein Zehntel auf den Winter und nimmt die Anzahl der Herbst- und Wintergewitter gegen die Küste des Atlantischen Ozeans hin schnell zu. Zieht man eine Linie von Drontheim über Königsberg und Pest gegen die Mündung der Donau hin, so finden östlich von dieser Linie keine Wintergewitter statt. Auf der Westküste von Norwegen, in Bergen, wo durchschnittlich 6 G. im Jahr stattzufinden pflegen, treffen 2–3 auf den Winter und 1–2 auf den Sommer. Auch an den Westküsten von Irland, Nordamerika und an den Ostküsten des Adriatischen Meers sind die Wintergewitter vorherrschend. Irland hat fast nur Wintergewitter; im Nordwesten von Schottland ist das Wintermaximum überwiegend, während sich ein sekundäres Maximum auch im Sommer bemerkbar macht. Was die mittlere jährliche Zahl der Tage mit Gewittern in Deutschland betrifft, so nimmt dieselbe von NO. nach SW. zu; an der Ostsee ist sie am geringsten, in der oberrheinischen Ebene am größten. In Berlin beträgt dieselbe 17, in München 22, in Stuttgart 21.
Die Hauptbedingungen wässeriger Niederschläge überhaupt und mithin auch der G. sind der aufsteigende Luftstrom (s. Wind) und die Vermischung ungleich temperierter Winde. Unter den Tropen erfolgen die Niederschläge des aufsteigenden Luftstroms mit großer Regelmäßigkeit und haben dann fast täglich ein G. zur Folge, so daß man sich, wie Caldeleugh von Villa Rica erzählt, auf „vor und nach dem G.“ einladet, um den Unterschied der Zeiten anzugeben. In unsern Gegenden bemerkt man Ähnliches nur, wo hohe Bergwände den aufsteigenden Luftstrom gegen Seitenströme schützen, so z. B. am Comersee und am Lago Maggiore. Da die Wirkung des aufsteigenden Luftstroms zu der wärmsten Tageszeit am stärksten ist, so wird auch die Zahl der G. nach dieser hin zunehmen. Dabei sind aber schwere G. von Abend bis Mitternacht nicht ausgeschlossen, da nach erfolgter starker Verdunstung am Tage heftige Kondensation des Wasserdampfes und damit in Zusammenhang stehende Gewitterbildungen entstehen können. Die tägliche Periode der G. ist bis jetzt nur für wenige Orte genauer untersucht. Das Maximum fällt für München auf 3 Uhr nachmittags, für Köln auf 33/4 Uhr nachmittags, für Salzburg auf 4 Uhr und für Prag auf 5 Uhr nachmittags.
Die G. unsrer Gegenden entstehen, wenn der Äquatorialstrom durch den Polarstrom oder der Polarstrom durch den Äquatorialstrom verdrängt wird, oder wenn sich ein starker aufsteigender Luftstrom bildet. In den mittlern und höhern Breiten sind die ersten beiden Fälle, in denen die sogen. Wirbelgewitter entstehen, die häufigsten und können als G. der Westseite und der Ostseite der Windrose bezeichnet werden. Am häufigsten sind die G. der Westseite. Sie haben ihren Sitz in den Wolken, welche am westlichen Himmel heraufziehen und sich allmählich heben, während der Wind rasch durch W. nach N. umschlägt. Vor ihrem Ausbrechen herrscht der warme Äquatorialstrom, nach ihrem Austoben der kühle Polarstrom, und wenn oft behauptet wird, G. reinigen und kühlen die Luft ab, so gilt das nur von Gewittern der Westseite. Viel seltener sind die G. der Ostseite. Die hoch ziehenden Wolken werden bei einer Drehung des Windes von O. nach S., welche eine allgemeine Trübung zur Folge hat, nur dann Gewitterwolken, wenn die Verdichtung des atmosphärischen Wasserdampfes schnell und stark vor sich geht. Vor diesen Gewittern weht der kalte Polarstrom, nach ihnen der warme und feuchte Äquatorialstrom. Diese G. haben einen besonders günstigen Einfluß auf das Wachstum der Pflanzen, und viele fruchtbare Jahre zeichnen sich durch besondere Häufigkeit von Gewittern der Ostseite aus. Die G. des aufsteigenden Luftstroms, die im Gegensatz zu den Wirbelgewittern Wärmegewitter genannt werden, sind meistens lokaler Natur, treten während der heißern Tagesstunden aus schnell verdichteten Wolken mit starken Regengüssen plötzlich ein, zerteilen sich aber ebenso schnell, wie sie sich zusammenzogen. Mit Recht sagt man, daß derartige G. das Wetter nicht umwerfen; sie kühlen zwar durch die Verdunstung des gefallenen Regens ab, haben aber keinen nachhaltigen Einfluß auf die Temperatur und lassen sich ebensowenig voraussehen, wie sie als Wetteranzeigen für die nächste Zukunft benutzt werden können. Die gewöhnlichen Wintergewitter, zu welchen die elektrischen Graupelwetter einen natürlichen Übergang bilden, gehören zur Form der Westgewitter; dichte Schneeschauer begleiten dieselben, aber gewöhnlich erfolgen nur einige Donnerschläge. Zuweilen treten auch in warmen Wintern G. auf, welche überall, wo sie eintreten, Frühlingswärme verbreiten und durch das rasche Vordringen eines warmen Südstroms in höhere Breiten entstehen.
Eine Gewitterwolke ist nicht ihrer ganzen Ausdehnung nach mit derselben Elektrizität geladen, sondern sie besteht aus Zonen, welche abwechselnd mit entgegengesetzten Elektrizitäten geladen sind, und zwar ist diese Ladung für die Mitte der Wolke am stärksten und nimmt dann nach den Grenzen hin ab.
Der Blitz wurde bis ins 18. Jahrh. nach der Erklärung des Aristoteles für eine Entzündung brennbarer Dünste gehalten, durch deren Explosion der Donner und die gewaltsamen Wirkungen des Wetterschlags entstehen sollten. Wall (1708) und Rollet fanden in dem Funken und dem Knistern elektrisch erregter Körper „eine Erinnerung an Blitz und Donner“; bestimmter sprach Winkler 1746 dieselbe Ansicht aus. Dalibart zu Marly la Ville und Delor zu Paris errichteten hohe isolierte Stangen und erhielten 10. Mai 1752 beim Vorbeiziehen eines Gewitters Funken. Dadurch lieferten diese beiden Physiker zuerst die Bestätigung der von Benjamin Franklin aufgestellten Behauptung von der elektrischen Natur der Gewitterwolken. Franklin selbst ließ erst einen Monat später vor den Thoren von Philadelphia einen Drachen während eines Gewitters steigen und erhielt aus der hänfenen Schnur desselben ebenfalls Funken. Diese Versuche wurden von de Romas zu Nérac und Beccaria zu Turin in großartiger Weise wiederholt,
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b7_s0306.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2022)