verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7 | |
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Kernröhre, welche auch den Verschluß enthält, den Hauptteil und trägt am Ladungsraum bis vor die Schildzapfen warm aufgezogene Ringe. Die Mantelrohre enthalten dagegen eine verhältnismäßig schwache Kernröhre, welche vor dem Verschluß endet und demselben nur nach einer Richtung, radial, Widerstand zu leisten hat; bei den Ringrohren tritt der Widerstand in Richtung der Rohrachse, durch den Gasdruck auf den Verschluß, hinzu. Die Kernröhre ist in den aus Einem Stück bestehenden Mantel eingeschoben, in dem also auch der Verschluß sitzt. Werden außer dem Mantel noch Verstärkungsringe angewendet, so entstehen Mantelringrohre. Die Kruppsche Fabrik fertigt in neuerer Zeit die kleinern Kaliber als Mantel-, die größern als Mantelringrohre. Je größer die Widerstandsfähigkeit der Geschützrohre gegen den Gasdruck ist, desto größer ist bei bestimmtem Rohrgewicht ihre Leistung. Bei den sich steigernden Forderungen an die Durchschlagskraft der Geschosse und der dem entsprechenden Zunahme der Seelendurchmesser ist in Rücksicht auf das absolute Rohrgewicht die rationelle Ausnutzung des Metalls von größter Wichtigkeit. Die folgende Tabelle gestattet in den Angaben über die auf 1 kg des Rohrgewichts entfallende lebendige Kraft in dieser Beziehung einen Vergleich der verschiedenen Rohrsysteme. Er zeigt, daß die Kruppschen Geschütze in ihrer Leistung den englischen entschieden überlegen sind.
Krupps | Französische | Armstrongs | |||||||
35 Kaliber lange | 40 cm Kanone C/84 | 34 cm Kanone C/81 | 37 cm Kanone C/84 | 30,5 cm Kanone | 43 cm Kanone C/82 | ||||
24 cm | 30,5 cm | ||||||||
Kanone | |||||||||
Gewicht des Rohrs Tonnen |
22,24 | 49,2 | 121 | 53 | 72 | 44,35 | 101 | ||
„ des Geschosses Kilogr. |
215 | 455 | 741 | 420 | 535 | 317,5 | 1000 | ||
„ der Ladung Kilogr. |
98 | 162 | 279,2 | 164 | 246,5 | 147,4 | 350,5 | ||
Anfangsgeschwindigkeit Meter |
600 | 565 | 615,2 | 600 | 600 | 547 | 558,8 | ||
Lebendige Kraft | ganze Meterton. |
3945 | 7403 | 14300 | 7710 | 9821 | 4842 | 15930 | |
auf 1 cm des Geschoßumfanges Meterton. |
52,32 | 77,28 | 113,8 | 72,18 | 84,4 | 50,5 | 117,3 | ||
auf 1 Ton. Rohrgewicht Meterton. |
177,4 | 150,5 | 120 | 148,2 | 138,3 | 109,1 | 159,3 |
Sir W. Armstrong fertigte seine Rohre in der Weise, daß er schmiedeeiserne Stäbe von trapezförmigem Querschnitt spiralförmig aufwickelte, über einen Dorn in sich und dann solcher Coils so viele aneinander schweißte, als die Länge des Rohrs erforderte. Über dieses nächstdem abgedrehte Kernrohr wurden eine Anzahl in gleicher Weise hergestellte Ringe, die innen ausgedreht waren, warm aufgezogen und dann schnell abgekühlt (das Aufschrinken). Die neuern englischen Rohre erhalten eine Kernröhre aus Stahl mit mehreren Ringen, die wie die Coils gefertigt werden. In Nordamerika wurden bis vor kurzem glatte Vorderlader von 39–52 cm Kaliber als Panzergeschütze nach Rodmans verbessertem Gußverfahren bei schneller Abkühlung von innen und Erwärmung von außen aus Eisen gegossen, welche später eine gezogene Stahlseele erhielten; doch sind dieselben von ganz ungenügender Haltbarkeit. Zu einem selbständigen System ist man noch nicht gelangt. Schweden, welches seiner Eisenproduktion gemäß auch seine Feldgeschütze, die nach dem durch General Wrede abgeänderten La Hitte-System gezogen sind, aus Eisen fertigte, hat neuerdings von Krupp 8,7 cm Gußstahl-Hinterladungsgeschütze für seine Feldartillerie bezogen.
Eine besondere Art von Geschützen ist das sogen. Kartätschgeschütz, Kugelspritze oder Mitrailleuse, deren Konstruktionen sich unter dem Namen der Orgelgeschütze bis zur Mitte des 15. Jahrh. verfolgen lassen, und die zur Zeit der niederländisch-spanischen Kriege von 1568 bis 1609 vielfach zur Anwendung kamen. Das Wesen derselben besteht darin, daß eine größere oder geringere Anzahl von Gewehrläufen derart zusammengesetzt ist, daß sie entweder gleichzeitig oder schnell hintereinander abgefeuert werden können, um so den Kartätsch- und Schrapnellschuß der Geschütze zu ersetzen. Bei den Orgelgeschützen lagen die Läufe in Reihen übereinander und wurden durch Leitfeuer abgefeuert. 1832 konstruierte Steinheil eine Maschine mit Einem Lauf, aus dem durch die Drehgeschwindigkeit eines Rades Kugeln geschleudert wurden. Sie blieb ohne praktische Bedeutung. 1861 erfand Gatling aus Indianapolis in Nordamerika ein Repetiergeschütz, das er 1863 der französischen Regierung erfolglos anbot, welches ihm aber 1865 für die Vereinigten Staaten patentiert wurde. Das Gatling-Geschütz besteht in der Regel aus zehn durch zwei Platten fest zu einem Bündel vereinigten Läufen, in dessen Achse eine Welle drehbar gelagert ist. Am hintern Ende der Läufe befindet sich eine Trommel, welche den Schloßmechanismus umschließt. Jeder Lauf hat ein Schlößchen mit Patronenauszieher, Schlagstift und Spiralfeder. Die Trommel, mit der Welle fest verbunden, wird mit dieser gedreht, wobei die am hintern Ende der Schlagstifte sitzenden Knöpfe in spiralförmigen Führungsrinnen gleiten, die in den hinter der Trommel feststehenden Lade- oder Spannring eingeschnitten sind. Dadurch bewegen sie sich vor und zurück und verrichten hierbei selbstthätig das Laden, Abfeuern und Ausziehen der leeren Hülsen. Ein Mann dreht die Welle, ein andrer läßt die Patronen in die Trommel gleiten. Je schneller man dreht, desto schneller feuert das G. und erreicht bis 1000 Schüsse in der Minute. Die 1867 in Frankreich eingeführte und 1870 in den Kampf getretene Mitrailleuse (von de Reffye) gleicht äußerlich einer Bronzekanone. In derselben steckt ein vierseitiger Stahlblock, durch den 25 Seelen von 13 mm Durchmesser gebohrt sind. In eine Kammer des Ladestückes wird eine Büchse mit 25 Patronen eingesetzt, welche durch den Schloßmechanismus in kurzen Zeitpausen schnell abgefeuert werden. 1851 hatte ein ehemaliger belgischer Offizier und Ingenieur, Fafschamps, eine Mitrailleuse konstruiert, welche in ihrer Konstruktion unverkennbar der Vorläufer der französischen ist; sie hatte 50 fest verbundene Läufe und einen ähnlichen Schloßmechanismus. Die französische Mitrailleuse ist durch Montigny und Christoph in Lüttich verbessert worden. Sie vereinigten 37 Rohre in ein Bündel, welches mit einer eisernen Hülle umgeben wurde. Das Vor- und Zurückschieben des Schloßmechanismus wird durch einen Winkelhebel bewirkt. Aus diesem System ist die österreichische
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b7_s0220.jpg&oldid=- (Version vom 14.10.2024)