verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3 | |
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sich die Versetzungen in großer Mannigfaltigkeit mit Fleißners durchlöcherten Patronen bewirken, mittels deren man die Buchstaben oder Ziffern unter Benutzung der Öffnungen auf ein untergelegtes Blatt schreibt. Sobald alle Löcher ausgefüllt sind, wird die Patrone um 90° gedreht und dadurch auf freie Felder gebracht, die nun wieder beschrieben werden, u. s. f. Die Öffnungen der Patronen sind so angeordnet, daß bei viermaliger Drehung der Scheibe ein Loch nie auf eine bereits beschriebene Stelle trifft. Schließlich erscheint die Schrift in regelmäßiger Figur, aber unlesbar und nur zu entziffern vom Besitzer einer gleichen Patrone.
Eine der vollkommensten Chiffriermethoden, die jedoch zu ihrer Anwendung viel Zeit und Mühe erfordert, ist die sogen. Wort- oder Buchchiffer, bei welcher ein eigens zu diesem Zweck eingerichtetes Wörterbuch als Grundlage benutzt wird. Jedes Wort, Schrift- oder Zahlzeichen u. dgl. ist in demselben entweder durch eine Zahlen- oder eine Buchstabengruppe bezeichnet; außerdem sind bestimmte Festsetzungen über Flexionsänderungen, Abwandlungen der Zeitwörter u. dgl. getroffen. Die Bezeichnung der Wörter durch Buchstabengruppen hat vor der Numerierung den Vorzug einer geringern Stellenzahl in den Chiffern; während nämlich aus den 10 Zahlzeichen nur 1000 dreizifferige Zahlengruppen gebildet werden können, beläuft sich die Anzahl der dreistelligen Buchstabengruppen bei 25 Buchstaben schon auf . Zur Sicherung der telegraphischen Übermittelung derartiger Buchstabengruppen, welche zu dem angegebenen Zweck bereits 1849 von Meißner in Braunschweig und neuerdings von Walter in Winterthur vorgeschlagen worden sind, kann man denselben zweckmäßig eine von dem zuletzt genannten Verfasser empfohlene Kontrollchiffer anhängen, deren Zahlenwert nach ihrer Stellung im Alphabet die Summe der Zahlenwerte für die vorausgegangenen Buchstaben darstellt.
Es erübrigt noch, einige Andeutungen über die Entzifferung (Dechiffrierung) der Geheimschriften zu geben. Ist man im Besitz des Schlüssels, so verursacht dieselbe nur geringe Mühe; die eigentliche Dechiffrierkunst dagegen, welche sich mit der Entzifferung von Geheimschriften mit unbekanntem Schlüssel beschäftigt, erfordert einen großen Aufwand an Scharfsinn und Geduld. Sie stützt sich auf die Eigentümlichkeiten der Sprache, wie sie sich in der Häufigkeit der einzelnen Buchstaben und der Art ihrer Zusammensetzung zu Silben und Wörtern darstellen. In der deutschen Sprache kommt z. B. der Buchstabe e am häufigsten vor; man kann also mit ziemlicher Sicherheit darauf schließen, daß diejenige Chiffer, welche sich in einem Telegramm mit einfachem Schlüssel am öftesten wiederholt, den Buchstaben e darstellt. Dann kommen n, i, s, t, h, a, r, d, u. Auf q folgt stets u, auf c entweder h oder k; für sich allein findet man c nur in Fremdwörtern. Einen guten Anhalt gewähren ferner die zweibuchstabigen und dreibuchstabigen Wörter, deren Anzahl eine beschränkte ist; dieselben lassen sich, wenn die Worttrennung beigehalten ist, nach einem Verzeichnis meist ohne große Mühe erraten. In Chiffertelegrammen mit zusammengesetztem Schlüssel verwischen sich aber diese Erkennungszeichen, wodurch die Schwierigkeit der Entzifferung unter Umständen sich bis zur Unmöglichkeit steigert.
Bis vor wenigen Jahrzehnten nur eine Hilfswissenschaft der Diplomatie, hat die Chiffrierung in neuerer Zeit eine ausgedehnte Anwendung im telegraphischen Verkehr auch der Kaufleute gewonnen. Neben den eigentlichen Chiffertelegrammen spielen im Handelverkehr die Telegramme in verabredeter Sprache eine wichtige Rolle. Letztere weden aus Wörtern zusammengesetzt, welche zwar jedes für sich eine sprachliche Bedeutung haben, in ihrer Zusammenstellung aber dem Uneingeweihten keinen verständlichen Sinn ergeben. Nach dem internationalen Telegraphenvertrag dürfen derartige Telegramme im europäischen Verkehr nur aus Wörtern bestehen, welche einer und derselben Sprache angehören; im außereuropäischen Verkehr sind dagegen Wörter aus der deutschen, englischen, spanischen, französischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen und lateinischen Sprache gleichzeitig zulässig. Als Telegramme in chiffrierter Sprache werden angesehen: 1) diejenigen Telegramme, deren Text aus Ziffern- oder Buchstabengruppen besteht; 2) solche Telegramme, welche entweder Reihen oder Gruppen von Ziffern oder Buchstaben, deren Bedeutung der Telegraphenanstalt nicht bekannt ist, oder Wörter, Namen und Zusammenstellungen von Buchstaben enthalten, die in offener oder verabredeter Sprache nicht zulässig sind. Der Text der Chiffertelegramme kann entweder ganz oder zum Teil in geheimer Schrift abgefaßt sein. Der chiffrierte Text muß entweder ausschließlich aus Buchstaben des Alphabets oder ausschließlich aus arabischen Ziffern bestehen und von dem Text in offener Sprache durch Klammern getrennt sein. Bei der Taxierung von Chiffertelegrammen werden im europäischen Verkehr die in Ziffern geschriebenen Zahlen für so viel Wörter gezählt, als sie je fünf Ziffern enthalten, nebst einem Wort für den etwanigen Überschuß. Diese Regel findet auch Anwendung auf die Zählung der Buchstaben in Buchstabengruppen chiffrierter Telegramme. Im außereuropäischen Verkehr findet manh die Zahl der Wörter, indem man die Anzahl der Ziffern oder Buchstaben jeder Gruppe durch 3 teilt und für den etwanigen Rest ein Wort mehr rechnet. Die in nicht zugelassener Sprache geschriebenen Wörter werden allgemein als Buchstabengruppen behandelt. Vgl. Klüber, Kryptographik (Tübing. 1809); Krohn, Buchstaben- und Zahlensysteme für die Chiffrierung von Telegrammen, Briefen und Postkarten (Berl. 1873); Meißner, Die Korrespondenz in Chiffern (Braunschw. 1849); Walter, Chiffrier- und Telegraphiersystem (Winterthur 1877); Fleißner, Handbuch der Kryptographie (Wien 1881).
Chiffon (franz., spr. schifóng), Stück altes Zeug, Lappen, auch verächtlich für weiblichen Putz; dann (nicht franz.) glattes baumwollenes Gewebe von mittlerer Feinheit und stark appretiert, dem Schirting ähnlich und von gleicher Verwendbarkeit.
Chiffonnier (franz., spr. schifonjeh), Lumpensammler; Chiffonnière (spr. -njähr), Lumpensammlerin; dann auch Kleiderschrank, Nähtischchen oder -Kästchen.
Chiffonnieren (franz., spr. schif-), zerknittern, zerknüllen, vorzüglich weibliche Kleidungsgegenstände.
Chiffre (franz., spr. schifr, Chiffer), Ziffer, Zahlzeichen; Namenszeichen, Anfangsbuchstabe eines Namens, Monogramm; Geheimzeichen.
Chiffrieren, s. Chifferschrift.
Chigi (spr. kihdschi), italienische, später gefürstete Familie, deren erstes bekanntes Haupt der durch seine Pracht und Kunstliebe bekannte Bankier Agostino C. aus Siena (gest. 1512) war. Er war in Rom der Bankier der Päpste, stand an der Spitze großartiger industrieller Unternehmungen und ließ von Raffael u. a. die sogen. Villa Farnesina (s. d.) mit Fresken schmücken. Vgl. Cugnoni, Agostino C. il magnifico
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 1012. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s1012.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2021)