verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3 | |
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dient ein beliebiges Wort, welches Buchstabe für Buchstabe unter die Buchstaben des chiffrierten Telegramms gesetzt wird, wobei man, wenn es zu Ende ist, immer wieder von neuem anfängt. Dieser Schlüssel heißt das Wahlwort. Die wahre Bedeutung der Chifferbuchstaben findet man nun, indem man den darunterstehenden Buchstaben des Wahlwortes in der Wahllinie und den Chifferbuchstaben in derselben Horizontallinie, welcher jener angehört, aufsucht. Indem man dann die Vertikallinie des gefundenen Chifferbuchstaben bis zur Sprachlinie verfolgt, findet man in derselben den Buchstaben der Klarschrift. Auf einer ähnlichen Methode beruht die Chifferschrift Napoleons I. (nach Porta); zur Abfassung derselben bedient man sich ebenfalls eines Wahlwortes. Die Chiffriertabelle enthält auf je zwei Buchstaben der Wahllinie immer nur ein geheimes Alphabet, dessen eine Hälfte durch die Buchstaben der andern Hälfte in versetzter Ordnung ausgedrückt wird. Statt eines Wahlwortes kann auch eine Wahlzahl benutzt werden, wie das in der C. des Grafen Gronfeld der Fall ist. Man verfährt nach Gronfelds System in der Weise, daß man die Wahlzahl fortlaufend unter die Buchstaben des zu chiffrierenden Telegramms setzt, so daß unter jedem Buchstaben eine Ziffer steht, und nun in die Geheimschrift an Stelle der richtigen Buchstaben diejenigen als Chiffern bringt, welche um so viel Stellen später in der gewöhnlichen Reihenfolge des Alphabets erscheinen, als die darunterstehende Ziffer anzeigt. Durch eine große Anzahl benutzbarer Alphabete (3200) zeichnen sich Krohns Buchstaben-Systeme aus (s. am Schluß). Um zu ermöglichen, daß auch ohne besondere Verabredung bei jedem Telegramm das Alphabet gewechselt werden kann, hat Krohn seinen Systemen auch einen Haupt- und Zahlenschlüssel beigegeben, mittels dessen in dem Telegramm selber an ein für allemal bestimmer Stelle, z. B. in der zweiten Gruppe, die Nummer des benutzten Alphabets in Chifferbuchstaben angegeben wird. In der Vokalchiffer wird jeder Buchstabe der Klarschrift ausgedrückt durch zwei Vokale. Als Schlüssel dient ein kleines Quadrat von 25 Feldern, welches in der Sprachlinie wie in der Wahllinie mit den einfachen Vokalen beschrieben ist, während die Felder nach Belieben mit den 25 Buchstaben des Alphabets ausgefüllt werden. In der C. sind nun statt der richtigen Buchstaben die beiden Endvokale aus der betreffenden Horizontal- und Vertikalreihe einzutragen, also bei Anwendung des folgenden Schlüssels
a | e | i | o | u | |
a | l | i | r | s | f |
e | b | t | c | h | u |
i | k | a | m | w | z |
o | o | p | g | d | x |
u | g | e | v | y | n |
statt a ie, statt b ea u. s. f. Das Wort Feind würde mithin lauten auueaeuuoo.
Die bis jetzt angeführten Chiffersysteme gehören sämtlich zur Klasse der Buchstabenchiffern, deren wesentliches Merkmal darin besteht, daß sie für jeden Buchstaben der Klarschrift eine Übersetzung durch einen oder mehrere andre Buchstaben erforderlich machen. Verwandt mit ihnen sind die Zahlenchiffern, welche zum Ausdrücken der Buchstaben sich der Zahlzeichen bedienen, und von denen Mirabeaus Zahlenchiffer eine der bekanntern ist. Nach Mirabeau wird das Alphabet in fünf oder sechs Abteilungen eingeordnet, die fortlaufend numeriert sind, und innerhalb deren jeder Buchstabe wieder seine besondere Ordnungsnummer besitzt. Will man mit diesem Schlüssel chiffrieren, so bezeichnet man jeden Buchstaben durch zwei Zahlen, von denen die erste die Ziffer der Abteilung, die zweite die Nummer des Buchstaben in dieser Abteilung angibt, und welche man entweder als Zähler und Nenner eines gewöhnlichen Bruches oder in Form eines Dezimalbruches niederschreiben kann.
Um das Chiffrieren und Dechiffrieren zu erleichtern, bedient man sich zuweilen mechanischer Vorrichtungen, welche in großer Zahl und zum Teil in sehr sinnreicher Weise konstruiert worden sind. Der einfachste Chiffrierapparat, welcher die Multiplikationschiffer zur Grundlage hat, besteht in einer dosenartigen Vorrichtung aus zwei um ihre gemeinsame Achse drehbaren Hälften, deren jede auf ihrer Peripherie ein vollständiges Alphabet trägt. Um mit diesem Apparat zu chiffrieren, teilt man zunächst die in geheime Schrift umzusetzende Mitteilung nach der Buchstabenzahl des Wahlwortes in Gruppen ein. Hierauf stellt man das a des obern Alphabets auf den ersten Buchstaben des Wahlwortes im untern Alphabet ein und überträgt in dieser Stellung alle ersten Buchstaben der Gruppen aus dem obern Alphabet in das untere, rückt dann das a des Sprachalphabets auf den zweiten Buchstaben des Wahlwortes und verfährt in gleicher Weise mit den zweiten Buchstaben sämtlicher Gruppen u. s. f. Beim Dechiffrieren wird entsprechend verfahren; nur muß selbstverständlich die Übertragung aus dem untern Alphabet in das obere stattfinden. Verwickeltere Vorrichtungen, die während des Chiffrierens die Alphabete verstellen und so eine große Sicherheit gegen unbefugte Entzifferung gewähren, sind von Klüber, Wheatstone, Sommerfeldt, u. a. angegeben worden.
Eine besondere Gruppe bilden die Versetzungschiffern, welche die Buchstaben des zu übermittelnden Telegramms beibehalten, aber nach einer verabredeten Ordnung in andrer Reihenfolge erscheinen lassen. Man schreibt nach dieser Methode das zu chiffrierende Telegramm in die Felder eines karierten Rechtecks ein, indem man die Buchstaben entweder von rechts nach links in die Horizontalreihen, oder von oben nach unten in die Vertikalreihen, oder abwechselnd von oben nach unten und von unten nach oben, oder endlich in diagonaler Richtung einträgt, worauf das Telegramm in der gewöhnlichen Reihenfolge von links nach rechts abgeschrieben wird. Von besonderm Interesse ist die zu dieser Gruppe gehörende Chiffer der Nihilisten. Die Nihilisten bedienen sich (nach Fleißner) zur Bezeichnung der einzelnen Felder des karierten Rechtecks einen Wahlwortes, indem sie die einzelnen Buchstaben des letztern nach ihrer Reihenfolge im Alphabet numerieren und die so gewonnenen Ordnungszahlen sowohl in
3 | 4 | 5 | 2 | 1 | 6 | |
3 | e | t | e | p | n | r |
4 | u | r | g | b | s | a |
5 | a | r | t | h | n | m |
2 | g | e | n | r | o | i |
1 | m | m | e | o | k | m |
6 | n | a | u | n | a | s |
die Sprachlinie als in die Wahllinie eintragen. Die Zahlen der Wahllinie sind dann maßgebend für die Reihenfolge der Zeilen, diejenigen der Sprachlinie für die Aufeinanderfolge der Buchstaben. Wäre beispielsweise „Moskau“ das Wahlwort, so würde das Telegramm: „Komme morgen in Petersburg an. Hartmann“ nach obiger Chiffer zu setzen sein.
In fünfstellige Gruppen abgeteilt, würde demnach der Text lauten: etepn rurgb saart humge nroim meokm nauna. Auf mechanische Weise lassen
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 1011. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s1011.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2021)