Zum Inhalt springen

Seite:Meyers b3 s0981.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

Der Chemiker bedarf zu seinen Arbeiten eines ziemlich umfangreichen Apparats. Derselbe besteht größtenteils aus Glas-, Porzellan- oder Metallgeräten und enthält Becher und Schalen, Cylinder, Trichter, Kochfläschchen, Retorten, Kolben, gerade und gebogene Röhren, zum Teil mit angeblasenen Kugeln, graduierte Röhren und solche, die mit verschiedenen absorbierenden Stoffen, besonders mit dem hygroskopischen Chlorcalcium, gefüllt sind, dann Gasometer, Aspiratoren, Luftpumpen, Papinianische Töpfe, Tiegel, Schmelz- und Glühöfen von verschiedener Form, Sand-, Wasser-, Metall- und Luftbäder, Trockenapparate, Spirituslampen oder mit Gas zu speisende Heizvorrichtungen, das Lötrohr, Zangen, Mörser etc., vor allem aber die Wage, durch welche in die Untersuchungen Sicherheit gebracht und viele Verhältnisse überhaupt erst erkennbar werden. Das chemische Laboratorium (s. Laboratorium) bietet Gelegenheit zur bequemen und möglichst vollkommenen Ausführung der Experimente und enthält alle Vorrichtungen, welche diese erleichtern und Schutz vor Gasen, Dämpfen etc. gewähren.

Geschichte der Chemie.

Über die ersten Anfänge der C. ist nichts Sicheres bekannt. Zweifellos sind chemische Prozesse zu irgend welchen Zwecken schon sehr früh ausgeführt worden, denn menschliche Thätigkeit ist überhaupt gar nicht denkbar, ohne daß die Körper, auf welche sie sich bezieht, mehr oder weniger chemisch verändert werden. Jede Verbrennung ist ein chemischer Prozeß, und die Gewinnung der Metalle aus ihren Erzen beruht gleichfalls auf chemischen Vorgängen. Von solchen und ähnlichen Arbeiten finden wir mehrfache Spuren bei allen Kulturvölkern schon in den ältesten Zeiten; aber in Ägypten scheint man zuerst chemische Thatsachen zusammengestellt und chemische Untersuchungen in solcher Weise ausgeführt zu haben, daß von einer Wissenschaft die Rede sein konnte. Man hat daher dem Namen der Wissenschaft, welchen einige vom griechischen cheo oder cheuo, ich gieße, ableiten wollen, auch mit Chemi, Cham, Chami, dem Namen, mit welchem die Ägypter ihr Land wegen seines schwarzen Erdreichs bezeichneten (Plutarch, De Iside et Osiride), in Verbindung gebracht. Mit demselben Wort bezeichnete man aber auch das Schwarze im Auge, das Symbol des Dunkeln und Verborgenen, und so bedeutete C. ursprünglich die ägyptische oder geheime Wissenschaft, wie sie später noch die geheime oder schwarze Kunst genannt wurde. Der Ausdruck Scientia chimiae findet sich schon bei Julius Firmicus Maternus, einem Schriftsteller, der zu Ende des 3. oder zu Anfang des 4. Jahrh. lebte, und Diokletian soll die Bücher der Ägypter „über die C. des Goldes und Silbers“ verbrannt haben; jedenfalls ging das alte Wissen größtenteils bei der Zerstörung der alexandrinischen Bibliothek (640) verloren, und wissenschaftliche Thätigkeit begann erst von neuem unter der Herrschaft der Araber. Dem Namen der Wissenschaft wurde der arabische Artikel al angefügt, und es begann das Zeitalter der Alchimie (s. d.). Die Lehren des Aristoteles, welche so viele Jahrhunderte hindurch das ganze geistige Leben beherrschten, gaben auch der Entwickelung der C. ihre Richtung an. Allem Seienden liegt nach Aristoteles der Urstoff (die Materie) zu Grunde; dieser ist das völlig Prädikatlose, Unbestimmte, Unterschiedslose, dasjenige, was allem Werdenden als Bleibendes zu Grunde liegt und die entgegengesetzten Formen annimmt, was aber selbst seinem Sein nach von allem Gewordenen verschieden ist und an sich gar keine bestimmte Form hat. Durch Zweijochung der Grundeigenschaften oder Gegensätze auf dem Urstoff entstehen die vier Elemente, die ihrer Art nach nicht weiter teilbaren Grundbestandteile der Körper, welche man gleichsam als Allotropien des Urstoffs betrachten könnte. Es sind:

Diese Elemente sind einfache materielle Körper, Träger gewisser physikalischer Eigenschaften und besitzen die Fähigkeit, durch Wechsel der Eigenschaften ineinander überzugehen. Gilt dies aber als feststehend, so kann alles aus allem werden, und von diesem Standpunkt aus hat man die Bestrebungen zu beurteilen, welche jahrhundertelang in der C. vorherrschten. Die Metalle mußten durch ihre Eigenschaften die Aufmerksamkeit von vornherein in hohem Grad fesseln, und so ist begreiflich, daß die Metallverwandlung, in erster Linie die Erzeugung von Gold, als Hauptaufgabe betrachtet wurde. Die Möglichkeit der Metallverwandlung mußte auch, abgesehen von allen theoretischen Spekulationen, den mit der Zusammensetzung der Körper nicht Vertrauten bei der Verarbeitung von Erzen ohnehin einleuchten, und in der That reichen die Bemühungen, Gold zu machen, bis in das höchste Altertum zurück. Die durch die Araber eingeleitete Periode der Alchimie ist aber ganz besonders durch die Herrschaft des Gedankens von der Möglichkeit der Metallverwandlung gekennzeichnet. Männer von unzweifelhaft hoher wissenschaftlicher Bedeutung sprechen aus voller Überzeugung von der Wahrheit der alchimistischen Theorie, und nichts berechtigt uns, eine absichtliche Täuschung anzunehmen. Man muß vielmehr an die unvollkommenen Hilfsmittel, die jenen zu Gebote standen, denken und begreift dann leicht, daß sie von Metallverwandlung sprachen, wenn sie aus Bleiglanz bei gewissen Operationen Silber erhielten; denn den geringen Silbergehalt des Bleiglanzes (den sie nur abzuscheiden brauchten) vermochten sie nicht zu erkennen. Es kommt noch hinzu, daß ein gewisser mystischer Zug, welcher jene Zeiten beherrschte, und dann auch der Eigennutz die allgemeine Verwertung der Erfahrungen des einzelnen verhinderten, so daß jeder ganz allein auf sein eignes Erkenntnisvermögen angewiesen blieb. Ein unwissenschaftlicher Geist kam erst in die Alchimie durch das Suchen nach dem „Stein der Weisen“, einer Substanz, durch welche man alle Metalle in Gold verwandeln und alle Krankheiten heilen könne (vgl. Alchimie). Unter allen Chemikern dieser Periode ragt der arabische Arzt Geber (Abu Musa Dschabir al Kufi), welcher im 8. Jahrh. in Kufa lebte, hervor. Er beschrieb Öfen zum Kalcinieren und Destillieren, kannte die Kupellation von Gold und Silber mittels Bleies, das Quecksilberchlorid und das rote Quecksilberoxyd, das salpetersaure Silberoxyd, Salmiak, Eisen- und Kupfervitriol, Pottasche und

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 981. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0981.jpg&oldid=- (Version vom 1.12.2021)