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Seite:Meyers b3 s0577.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

zu dessen Regelung vereinbaren müssen. Auch diese Länder haben für die in ihren eignen Sprachen gedruckten Bücher nur einen sehr beschränkten Kreis von Abnehmern, vornehmlich Dänemark, das früher in litterarischer Beziehung fast als Deutschland angehörig zu betrachten war. Es wurden deshalb auch viele deutsche Bücher dort verlegt, und solche geistige Verbindung hat auch die neueste Zeit trotz aller nationalen Antipathien, trotz künstlich hervorgerufener und gepflegter Bevorzugung besonders der französischen Litteratur nicht ganz zu lösen vermocht. Rußland hat sich durch Verbote, Zensurschikanen und Zölle gegen die Einfuhr ausländischer Druckschriften abzuschließen gesucht, aber nicht verhindern können, daß jährlich nahezu 1 Mill. Bände auswärtiger Druckschriften, der Mehrzahl nach französische und deutsche, eingebracht werden. Der russische Verlagshandel zeigt einen sehr anerkennenswerten Aufschwung.

Die Organisation des französischen Buchhandels ist von der in Deutschland völlig verschieden. Paris ist das Emporium desselben; alle Buchhändler der Departements haben daselbst ihre Kommissionäre, stehen aber in keiner so regelmäßigen Verbindung mit denselben wie in Deutschland. Auch die Usancen sind sehr verschieden. Die Verleger (libraires-éditeurs) senden selten ihre Verlagswerke à condition; die Sortimentsbuchhändler (libraires d’assortiment) müssen solche für feste Rechnung nehmen und gewöhnlich sogleich bezahlen. Da, wo der Pariser Verleger mit dem Provinz-Sortimenter in Rechnung steht, wird die Rechnung alle drei, längstens alle sechs Monate abgeschlossen, und der Verleger deckt sich für sein Guthaben ganz nach kaufmännischem Brauch durch Wechsel. Ebenso findet die Korrespondenz zwischen dem Provinz-Sortimenter und dem Pariser Verleger meistens in direkten Briefen statt. Der provinzielle Verlag ist im ganzen unbedeutend, doch erscheinen auch einzelne ganz achtungswerte Werke, so über Dialekte, Altertümer, Spezialgeschichte etc. der verschiedenen Provinzen; indes pflegen alle diese neben dem eigentlichen Verleger auch ein Pariser Haus auf dem Titel zu nennen. Die Zahl der im Druck erschienenen Schriften blieb stets hinter der der deutschen Produktion zurück, und es kamen davon gewöhnlich 2/3 auf Paris, 1/3 auf das übrige Frankreich. Ein eigentlicher Sortimentsbuchhandel existiert in Frankreich nicht. Infolge der großen Zentralisation des Verlagsbuchhandels in Paris, wo auch der französische Buchhändlerverein (Cercle de la librairie) seinen Sitz hat (vgl. „Le Cercle de la librairie. Notice historique et descriptive“, Par. 1885), und der Spezialisierung desselben beziehen viele Bücherkäufer in der Provinz ihren Bedarf lieber aus Paris, vom Verleger oder von einem Spezialbuchhändler. Das, was man in Deutschland die „Verwendung“ von seiten der Sortimenter nennt, ist in Frankreich vollkommen null, Verleger und Verfasser müssen ganz allein für das Bekanntwerden der Bücher sorgen. Ein wichtiges Element für den französischen B. bildet der Export. Bei der allgemein verbreiteten Kenntnis der französischen Sprache und der gefälligen Form der französischen Litteratur ist es nicht erstaunlich, daß für viele Millionen Frank französische Bücher alljährlich nach allen Teilen der Welt versandt werden; aber es beschränkt sich dieser Export nicht allein auf die Bücher in französischer Sprache, sondern der französische Verlagsbuchhandel hat sich auch des ganzen romanischen Amerika bemächtigt, für welches mehrere große Häuser in Paris fast seinen ganzen Bedarf an spanischen und portugiesischen Büchern fabrizieren. Gebetbücher, Schulbücher, Übersetzungen der Romane, wissenschaftliche Bücher aus allen Sprachen, Kinderbücher, kurz alles, was die amerikanischen Völker spanischen und portugiesischen Ursprungs brauchen, wird in großen Massen in Paris gedruckt und verlegt und fix und fertig eingebunden nach Mexiko, Chile, Peru, Brasilien, La Plata etc. expediert, ein Handelszweig, dessen jährlicher Umsatz sich nach Millionen beziffert. Umfangreiche wissenschaftliche und gelehrte Werke werden meist ganz oder teilweise auf Kosten der Regierung, gelehrter Gesellschaften, der Akademien oder der Verfasser gedruckt. Selbst gelehrte Journale, wie das „Journal des savants“, können sich ohne Unterstützung von seiten der Regierung nicht halten. Große Verlagsunternehmungen, wie sie in Deutschland nicht zu den Seltenheiten gehören, sind in Frankreich ohne Unterstützung von oben (die man gemeiniglich durch Subskription auf ein paar hundert Exemplare gewährt) nicht möglich. Die vom Ministerium subskribierten Exemplare werden an die Bibliotheken des Landes verschenkt. Eine ansehnliche Menge der französischen Litteraturerzeugnisse erscheint aber auch ganz auf Staatskosten, und aus dem Fonds der Imprimerie nationale (früher royale und impériale) in Paris werden jährlich große Summen auf den unentgeltlichen Druck wissenschaftlicher Bücher verwendet. Dazu kommen die Sammlungen von Memoiren der Akademien und der gelehrten und industriellen Gesellschaften, welche, wiederum meist vom Staat unterstützt, den Druck aus ihren Fonds bestreiten. Es hat diese Masse von Druckschriften mit dem eigentlichen B. nichts zu thun, selten kommen solche kommissionsweise in den Verkehr.

In Italien ist die neue Zeit für den B. erst in den letzten Jahren angebrochen. Der gleich im ersten Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunst sich großartig entwickelnden Blütezeit folgte seit dem Reformationszeitalter durch kirchliche und politische Reaktion ein so gewaltiger Rückschlag, daß von einem B. im heutigen Sinn des Worts kaum noch die Rede sein konnte; wenigstens war, was vorhanden war, in die härtesten Fesseln geschlagen. Die Verlagsthätigkeit erlahmte bald so, daß größere und der Beachtung werte Werke bis in die neueste Zeit nur auf Privatkosten oder durch Unterstützung reicher Gönner hergestellt werden konnten. Erst seit einigen Jahren, seitdem die Einheitsbestrebungen wieder ein italienisches Staatswesen geschaffen haben, hat auch der B. angefangen, sich mehr und mehr wieder zu heben. Das Hauptverdienst gebührt neben den bedeutenden deutschen Buchhandlungen in Italien dem Turiner Verleger Gius. Pomba, dessen Bemühungen es endlich gelungen ist, einen dem Deutschen Börsenverein nachgebildeten Verein, die „Associazione dei libraj italiani“, zu gründen. In Spanien und Portugal haben kirchliche und politische Despotie die litterarische Thätigkeit lange Zeit gewaltsam niedergehalten und demzufolge auch den B. zu keiner höhern Entwickelung und Bedeutung kommen lassen. Im jungen Griechenland blüht die Litteratur rasch auf. Im J. 1833 wurde die erste Buchhandlung in Athen gegründet. Nächst Athen, das regelmäßigen buchhändlerischen Verkehr mit Leipzig, Triest und Wien unterhält, ist Korfu der Hauptsitz der griechischen Litteratur; letzterer Platz macht seine auswärtigen Geschäfte über London. In der Türkei beschränkt sich der Verkehr mit Büchern zum größten Teil auf den Manuskriptenhandel, da es den Mohammedanern verboten ist, den Koran und ihre andern Religions- und Gesetzbücher durch Druck zu vervielfältigen; auch

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 577. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0577.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2022)