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Seite:Meyers b19 s0438.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

Unruhen, die nach Argentinien durch den finanziellen Ruin dieses Landes beträchtlich gesunken. Brasilien endlich liefert zwar nach wie vor reiche Kaffee-Ernten, doch haben die dortigen politischen Vorgänge sowie der selbst für junge Kolonialstaaten außergewöhnliche Gründungsschwindel die mit Europa unterhaltenen Handelsbeziehungen arg geschädigt und deren gedeihliche Entwickelung gehemmt. Für mehrere der südamerikanischen Staaten hat die infolge der politischen Wirren sich schlechter gestaltende wirtschaftliche Lage sich bereits deutlich bemerkbar gemacht, denn es betrug die Ausfuhr Hamburgs dorthin:

  1889 1890
Brasilien 65012440 Mk. 66029040 Mk.
Uruguay 15486100 10344400
Paraguay 193980 77820
Argentinien 61641000 29336740
Chile 35332340 37793340
Peru 8242120 9422060
Ecuador 2933730 2369330
Bolivia 707070 1259390
Kolumbien 6678110 7787580
Guayana 418210 324480
Venezuela 17410040 16881600

Die Ausfuhrziffern zeigen demnach für Brasilien, Chile u. a. noch eine aufsteigende Tendenz, allein dies gilt in den meisten Fällen nur für die erste Hälfte des Jahres 1890, in der zweiten Hälfte war die Ausfuhr unter dem Einfluß ungünstiger Verhältnisse thatsächlich eine sehr geringe. Für 1891 wird die Einwirkung der politischen und wirtschaftlichen Krise und der durch dieselbe bedingten niedrigen Kurse sich sicherlich in durchgreifender Weise bemerkbar machen. Ein ganz ähnliches Ergebnis zeigt die Ausfuhr Bremens in denselben Jahren. Es ist wenig tröstlich, daß andre Länder ähnliche Erfahrungen gemacht haben. So hat die Abnahme der Ausfuhr nach Argentinien aus England 48, aus Frankreich 65, aus Belgien 56, aus Deutschland 60 Proz. betragen, und diese rückläufige Bewegung dürfte vorerst nicht zum Stillstand kommen. Die Hauptartikel der Einfuhr aus Mexiko sind Silbererze, Blauholz und Spinnstoffe; Zentralamerika liefert hauptsächlich Kaffee und Farbhölzer, Westindien Tabak und Kaffee, Brasilien vornehmlich Rindshäute und Kaffee, sodann Wolle, Kakao und wertvolle Hölzer, ähnlich sind die Exportartikel von Venezuela, Ecuador und Kolumbien, während aus dem Süden besonders Wolle, Salpeter, Silbererz und Mais bezogen werden. Unter den Artikeln der Ausfuhr nach Mittel- und Südamerika nehmen Baumwollwaren, Wollstoffe, Strumpfwaren, Leinengewebe, fertige Damenkleider, Posamentierwaren u. dgl. den ersten Platz ein.

In Afrika haben sich besonders die Handelsbeziehungen Deutschlands zu Marokko in den letzten Jahren außerordentlich entwickelt. Während noch 1886 die Einfuhr Hamburgs von dort 66, die Ausfuhr dahin 4209 Doppelzentner betrug, importierte Hamburg 1890 aus Marokko 16,452 Doppelztr. im Werte von 1,332,010 Mark und führte dorthin aus 15,310 Doppelztr. im Werte von 1,886,210 Mk. Überhaupt nehmen die afrikanischen Nordstaaten fortgesetzt an Bedeutung für die europäische Industrie zu, doch sind gerade in jüngster Zeit ihre Exportfähigkeit und damit auch ihre Kaufkraft sehr geschmälert worden. Denselben lähmenden Einfluß hat in Südafrika die in den dortigen Minendistrikten ausgebrochene Krisis ausgeübt. Die Konsumtionskraft des äquatorialen Afrika ist noch zu unbedeutend, um nach der einen oder der andern Richtung bestimmend auf unser Wirtschaftsleben einzuwirken. Immerhin ist der Handelsverkehr mit ihm im Steigen. Nach Deutschland wurden 1890 eingeführt aus Deutsch-Westafrika für 5,189,000, aus Deutsch-Ostafrika für 489,000 Mk. Waren, aus Sansibar, das in Betracht gezogen werden muß, da ein großer Teil der Produkte des deutschen Festlandes durch die Hände der auf der Insel ansässigen Firmen geht, für 2,218,000 Mk. Waren. Von Deutschland wurden ausgeführt nach Deutsch-Westafrika für 3,243,000, nach Deutsch-Ostafrika für 320,000, nach Sansibar für 2,484,670 Mk. Waren. Mit den englischen Kolonien gestaltete sich Deutschlands Verkehr 1890 wie folgt:

  Einfuhr   Ausfuhr  
Kapland 98189 Pfd. Sterl. 164938 Pfd. Sterl.
Lagos 248459 130569
Goldküste 70221 62420
Sierra Leone 25813 29685

Asien ist für den deutschen Handel von immer größerer Bedeutung geworden, doch sind auch hier neuerdings beträchtliche Störungen eingetreten. Ganz außerordentlich hat der Verkehr mit Britisch-Indien zugenommen, das mit seiner nahe an 290 Mill. zählenden, leider wenig kaufkräftigen Bevölkerung ein immer besserer Abnehmer deutscher Industrieprodukte wird.

  Einfuhr   Ausfuhr  
1889/90: 27646574 Rupien 5639118 Rupien
1890/91: 43874820 16916486

Für die Straits Settlements sind für 1890 eine Ausfuhr von 342,442, eine Einfuhr von 578,333 Pfd. Sterl. zu verzeichnen. China ist leider in allerneuester Zeit infolge der dort ausgebrochenen Christenverfolgungen und Unruhen in seiner Bedeutung für den europäischen Export sehr zurückgegangen, was um so bedauerlicher erscheint, als durch die Einrichtung der vom Reiche subventionierten Dampferlinien unser Handel mit diesem Lande sehr bedeutend zugenommen hatte. Hamburgs Ausfuhr nach China betrug 1889: 14,762,640 und 1890 15,903,910 Mk. Auch Japan, obwohl dem europäischen Einflusse sich mehr erschließend, sucht durch Hebung der eignen Industrie sich der europäischen Einfuhr gegenüber mehr und mehr unabhängig zu machen. Dennoch war unsre Ausfuhr dorthin bislang im Steigen; 1889 führte Hamburg dorthin für 14,072,360, dagegen 1890 für 15,488,190 Mk. Waren aus. In ähnlicher Weise stieg die Ausfuhr von Bremen nach diesen beiden Ländern. Auch Hinterindien und der Malaiische Archipel haben an Bedeutung für die europäische Exportindustrie zugenommen und versprechen von fortgesetzt steigendem Werte für die europäische Ausfuhrindustrie zu werden, wobei Deutschland freilich durch den überwiegenden handelspolitischen Einfluß der Engländer, Holländer und Franzosen zurückgedrängt wird. Die in der Levante wie in der Türkei überhaupt herrschende Rechtsunsicherheit und wirtschaftliche Schwäche haben in Verbindung mit der daselbst sich geltend machenden religiösen und politischen Spannung unsern Handel, wie den aller andern Völker, immer mehr eingeengt.

In Australien haben Überproduktion und Streiks einen Zustand wirtschaftlicher Erschlaffung erzeugt, welcher bei geringern Woll- und Weizenernten zu einer Einschränkung des Handels führte; 1890 führte Hamburg für 25,314,820, Bremen für 6,434,790 Mk. Waren ein, was gegen das Vorjahr einen Ausfall von 2,054,092 Mk. bedeutet. Nach der englischen Statistik betrug 1890 die deutsche Einfuhr in Neusüdwales 639,475, in Viktoria 682,166 Pfd. Sterl., die Ausfuhr von dort nach Deutschland 404,280, bez. 240,008 Pfd. Sterl.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0438.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2025)