![]() |
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17 |
|
die Zwangsrevision ein, indem es allen G. bei Strafe vorschreibt, in jedem zweiten Jahr ihre Einrichtungen und ihre Geschäftsführung durch einen der Genossenschaft nicht angehörigen sachverständigen Revisor prüfen zu lassen. Für G., welche einem Revisionsverband angehören, ist der Revisor von eben diesem Verband zu bestellen, während für G., die einem solchen Verband nicht angehören, der Registerrichter nach Gehör der höhern Verwaltungsbehörde den Revisor bestellt. Der Verbandsrevisor kann aber nur dann in Funktion treten, wenn der Verband von der Zentralbehörde des betreffenden Staats und, falls sich der Verband über mehrere Staaten erstreckt, vom Bundesrat anerkannt ist. Hervorzuheben sind ferner die vielumstrittenen Bestimmungen über die Beschränkung des Geschäftsbetriebes der G. auf deren Mitglieder. Das Gesetz erklärt nämlich einmal die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes von Vorschußvereinen, soweit derselbe in der Gewährung von eigentlichen Darlehen besteht, auf Nichtmitglieder für unzulässig. Außerdem wurde aber in der dritten Lesung des Gesetzentwurfs mit geringer Mehrheit ein Antrag (lex „Kulemann“) angenommen, wonach Konsumvereine im regelmäßigen Geschäftsverkehr nur an solche Personen Waren verkaufen dürfen, die als Mitglieder oder deren Vertreter bekannt sind, oder die sich als solche in der durch das Statut vorgeschriebenen Weise legitimieren. Dagegen fand sich für den zugehörigen Strafparagraphen die nötige Majorität nicht, so daß also jenes für die Konsumvereine erlassene Verbot einer Strafbestimmung entbehrt.
Wichtig ist ferner die bisher allerdings schon in den meisten Statuten, nun aber im Gesetz selbst anerkannte Notwendigkeit eines Reservefonds. Ebenso ist die Bildung eines Aufsichtsrats nicht mehr dem Statut überlassen, sondern im Gesetz selbst anerkannt. Der Vorstand der Genossenschaft aber muß aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen, und mindestens zwei Mitglieder müssen die Willenserklärungen und Zeichnungen für die Genossenschaft vollziehen. Endlich ist der neuen Vorschriften über die Entstehung und Endigung der Mitgliedschaft und zwar namentlich der Bestimmung zu gedenken, wonach die Mitgliedschaft nur durch den Eintrag in die vom Gericht zu führende Liste der Genossen entsteht und nur durch die Löschung in dieser Liste ihr Ende erreicht. Die Führung des Genossenschaftsregisters und die Art und Weise, wie die Anmeldungen zu demselben zu bewirken, sind durch Bekanntmachung des Bundesrats vom 11. Juli 1889 geregelt. Vgl. über das Genossenschaftsgesetz vom 1. Mai 1889 die Kommentare von Parisius und Crüger (Berl. 1889), von Pröbst (Münch. 1889); die kleinern Ausgaben von Parisius (2. Aufl., Berl. 1889), Menzen (Trier 1889) u. a.; Glackemeyer, ABC-Buch für Vorschuß- und Kreditvereine (Berl. 1889); Schneider, Wegweiser für Vorschuß- und Kreditvereine (das. 1889); ferner: v. Mendel, Die landwirtschaftlichen Ankaufs- und Verkaufsgenossenschaften (das. 1886); Heck, Das Genossenschaftswesen in der Forstwirtschaft (das. 1887). Eine neue Zeitschrift für Genossenschaftswesen: „Die deutsche Genossenschaft“ (hrsg. von Herz), erscheint seit 1888 halbmonatlich in Berlin.
Das Genossenschaftsgesetz vom 1. Mai 1889 enthält für die landwirtschaftlichen G. keine besondern Vorschriften, und die wesentlichen Unterschiede, welche bisher zwischen den G. nach dem System Schulze-Delitzsch und den Raiffeisenschen Darlehnskassen und andern landwirtschaftlichen G., namentlich in Hinsicht auf die Organisation, vorlagen, bestehen grundsätzlich nicht mehr. Der Jahresbericht des Anwalts des allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes für das Jahr 1888 berücksichtigt daher bei der Zusammenstellung der dem Anwalt bekannt gewordenen deutschen G. auch die G. nach dem System „Raiffeisen“ und kommt so zu folgendem Ergebnis:
1888: | 1887: | |
Kreditgenossenschaften | 2988 | 2200 |
Genossenschaften in einzelnen Gewerbszweigen | 2174 | 1874 |
Konsumvereine | 760 | 712 |
Baugenossenschaften | 28 | 35 |
Zusammen: | 5950 | 4821 |
In der Organisation des allgemeinen Verbandes der deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (34 Unterverbände, 1148 G.) sind Veränderungen nicht vorgekommen. Nach diesem Verband ist der größte deutsche Genossenschaftsverband die „Vereinigung der deutschen landwirtschaftlichen G.“ Nach dem auf dem fünften Verbandstag zu Hildesheim (1889) erstatteten Jahresbericht gehören diesem Verband 1019 G. mit 72,090 Mitgliedern an (landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften, Konsumvereine, Molkereigenossenschaften und die Bezugskommission des Rheinpreußischen Landwirtschaftlichen Vereins mit 68 Lokalabteilungen und 19,000 Mitgliedern). Die Zahl der zu dem Anwaltsverband der Darlehnskassenvereine (näheres s. d., Bd. 17) zu Neuwied gehörigen G. wird auf rund 500 G. angegeben. Zu dem Verband landwirtschaftlicher Kreditgenossenschaften in Württemberg gehören 213, zu dem Verband der ländlichen Zentralkasse zu Münster i. W. 163, zu dem unterfränkischen Verband des landwirtschaftlichen Kreiskomitees in Würzburg 117 und zu dem Verband der polnischen Kreditgenossenschaften in Schrimm 60 G. Zur Statistik der verschiedenen G. diene folgendes:
[Vorschußvereine.] Nach den Berichten der Anwaltschaft des allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes ergibt sich folgende Übersicht über den Stand der zum Verband gehörigen Spar- und Vorschußvereine nach dem System „Schulze-Delitzsch“. Hierbei sind jedoch, abgesehen von der letzten Spalte, nur diejenigen Vereine berücksichtigt, welche dem Anwalt ihre Abschlüsse eingereicht haben.
Rechnungsjahr | Zahl der Vereine | Mitgliederzahl | Gewährte Vorschüsse u. Prolongationen | Eigner Fonds | Auf Kredit entnommen | Dem Anwalt bekannte Vereine |
Mill. Mk. | Mill. Mk. | Mill. Mk. | ||||
1885 | 896 | 458080 | 1533,8 | 129,4 | 401,8 | 2118 |
1886 | 881 | 451452 | 1522,5 | 132,1 | 411,7 | 2135 |
1887 | 886 | 456276 | 1601,8 | 134,8 | 427,1 | 2200 |
1888 | 901 | 461356 | 1591,5 | 136,0 | 425,2 | 2988¹ |
¹ Einschließlich der Raiffeisenschen Darlehnskassen. |
[Konsumvereine.] Bei den deutschen Konsumvereinen betrugen nach den genannten Jahresberichten:
Jahr | Dem Anwalt bekannte Vereine | Vereine, von denen Abschlüsse vorlagen | Zahl der Mitglieder | Verkaufserlös | Geschäftsanteile | Anlehen |
in Millionen Mark | ||||||
1885 | 682 | 162 | 120150 | 35,1 | 3,31 | 2,89 |
1886 | 696 | 164 | 144504 | 38,3 | 3,54 | 2,91 |
1887 | 712 | 171 | 154460 | 41,4 | 3,69 | 2,93 |
1888 | 760 | 198 | 172931 | 46,8 | 4,39 | 3,02 |
Die Zahl der dem Anwalt bekannten Kreditgenossenschaften und Konsumvereine betrug 1888: 3748, welche sich auf die einzelnen Staaten wie folgt verteilten:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0374.jpg&oldid=- (Version vom 26.3.2025)