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Seite:Meyers b17 s0372.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Höfe anschickte, erklärte der Reichskanzler das Tagebuch in einem Immediatbericht an den Kaiser vom 23. Sept. 1888 in der Form, wie es vorliege, für unecht; er beantragte daher die Einleitung des Strafverfahrens gegen die Publikation der „Rundschau“ und deren Urheber wegen Fälschung, wenn das Tagebuch unecht, wegen Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen, wenn es echt sei. Es ergab sich übrigens bald, daß das Tagebuch echt war; nur war es nicht vollständig. Die mancherlei Irrtümer in demselben erklärten sich daraus, daß es vom Kronprinzen später neu bearbeitet und erweitert wurde. Der Kaiser befahl 25. Sept. die Einleitung des Strafverfahrens. Der Verleger Pätel nannte sofort G. als den Urheber, und dieser eilte von Helgoland herbei, um sich selbst der Behörde zu stellen. Er wurde in Haft nach Berlin gebracht. Er bestritt jede strafbare Absicht, konnte indes nicht leugnen, daß die Veröffentlichung nicht im Sinn des Kaisers Friedrich gewesen sei, und seine Korrespondenz mit dem Freiherrn v. Roggenbach ließ über seine Gesinnung gegen Bismarck keinen Zweifel. Das Reichsgericht erkannte auch in seinem Beschluß vom 4. Jan. 1889 an, „daß hinreichende Verdachtsgründe für die Annahme vorliegen, daß G. Nachrichten, deren Geheimhaltung andern Regierungen gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs erforderlich war, öffentlich bekannt gemacht hat“; in Erwägung jedoch, daß für die Annahme des Bewußtseins des Beschuldigten genügende Gründe nicht vorhanden seien, wurde G. außer Verfolgung gesetzt. Um jedoch zu beweisen, daß die Anklage nicht leichtfertig erhoben worden, veröffentlichte die Reichsregierung 16. Jan. 1889 die Anklageschrift des Reichsanwalts Tessendorff gegen G.; dieselbe enthüllte die Beweggründe, die G. bei der Veröffentlichung geleitet hatten, und bestätigte das Urteil, das Roggenbach selbst gefällt hatte, daß nämlich die Veröffentlichung „moralisch, juristisch und politisch gleichmäßig zu verdammen sei“. G. unterwarf sich stillschweigend dieser moralischen Verurteilung u. verzichtete darauf, seine Verteidigungsschrift zu veröffentlichen. Im Oktober 1889 verlegte er seinen Wohnsitz nach München. Außer den gesammelten Aufsätzen veröffentlichte G. noch: „Das Recht der Intervention“ (in Holtzendorffs „Handbuch des Völkerrechts“; Sonderausg., Hamb. 1887) und „Kirke, eine Reisenovelle“ (Berl. 1888).

 Gefräß, die Nahrung des Schwarzwildes.

Geibel, Emanuel, Dichter. Am 18. Okt. 1889 wurde sein Standbild (von Volz) in Lübeck enthüllt. Vgl. Litzmann, Emanuel G., aus Erinnerungen, Briefen und Tagebüchern (Berl. 1887).

Gelli, Giambattista, ital. Schriftsteller. Seine Vorlesungen über Dantes „Göttliche Komödie“ wurden von Negroni herausgegeben (Flor. 1887, 2 Bde.).

Gelzer, Heinrich, Geschichtschreiber, starb 16. Aug. 1889 in Basel.

 Gemeingläubiger, im Konkurs Bezeichnung für diejenigen Gläubiger des Gemeinschuldners, deren Forderungen keine bevorzugten sind.

 Gemmellāro (spr. dsche-), Giorgio, Geolog, geb. 1832 zu Catania, studierte Medizin, dann aber Mineralogie und Geologie und wurde Professor der Geologie und Mineralogie in Palermo. Nach ihm wurde der 1886 gebildete Eruptionskegel des Ätna Monte G. genannt. Er schrieb: „Descrizione di alcune specie di minerali dei vulcani estinti di Patagonia“ (Catania 1854–56); „Pesci fossili della Sicilia“ (das. 1858); „Studii paleontologici sulla fauna del calcare: Terebratula janitor“ (Palermo 1869–73, 3 Bde.).

Genast, 2) Wilhelm, Dichter, starb 18. Jan. 1887 in Weimar.

Genf, Kanton, (1888) 106,738 Einw.; Stadt, (1888) 52,638 Einw.

Genossenschaften. Während in Deutschland unter G. schlechthin die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften verstanden werden, ist in Österreich der Ausdruck Genossenschaft die amtliche Bezeichnung für die Innung, und zwar für die in Österreich zu Recht bestehende obligatorische oder Zwangsinnung (s. Innungen, Bd. 8, S. 969). Im Gegensatz zu diesen G. des Handwerks definiert das österreichische Genossenschaftsgesetz vom 9. April 1873 die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften als Vereine von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes oder mittels Kreditgewährung bezwecken. Dabei muß die Genossenschaftsfirma vom Gegenstand der Unternehmung entlehnt sein, die Bezeichnung „registrierte Genossenschaft“ und je nach der Beschaffenheit der Haftung den Beisatz „mit unbeschränkter Haftung“ oder „mit beschränkter Haftung“ enthalten. In dieser Zulassung der Genossenschaft mit beschränkter Haftung, welche das deutsche Genossenschaftsrecht nicht kannte, lag bisher der hauptsächlichste Unterschied zwischen letzterm und der österreichischen Genossenschaftsgesetzgebung; er ist nunmehr durch das deutsche Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 beseitigt.

[Genossenschaftsrecht.] Die Revisionsbedürftigkeit des deutschen Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1868 war seit Jahren allgemein anerkannt. Wiederholt hatte Schulze-Delitzsch im Reichstag die Revision des Gesetzes angeregt, auch selbst Entwürfe zu diesbezüglichen Novellen vorgelegt. Ein weiterer Antrag des Abgeordneten v. Mirbach (1881) bezweckte die Zulassung von G. mit beschränkter Haftpflicht, während ein Antrag Ackermann und Genossen sich namentlich mit der Beaufsichtigung der G. und ihrer Revision durch die Kommunalaufsichtsbehörde beschäftigte. Schließlich zog jedoch das Reichsjustizamt die vollständige Umarbeitung des Genossenschaftsgesetzes und den Erlaß eines neuen Gesetzes demjenigen einer Novelle vor. Der sorgfältig ausgearbeitete Entwurf wurde durch seine Veröffentlichung der öffentlichen Diskussion zugänglich gemacht. Eine freie Kommission, bestehend aus Mitgliedern des Reichsjustizamtes, des Reichsamtes des Innern und der preußischen Ministerien für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe und für die Justiz, aus genossenschaftlichen Verbandsvorständen, darunter der Anwalt des allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes, Reichstagsabgeordneter Schenk, und aus den Professoren Goldschmidt-Berlin und v. Sichern-München, unterzog den Entwurf einer eingehenden Beratung. Auf den Verbandstagen der G., namentlich auf dem Verbandstag des allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes in Erfurt (1888), wurde der Entwurf vielfach erörtert, auch zum Gegenstand zahlreicher Petitionen an den Reichstag gemacht, bis dann im Reichstag selbst nach einer kommissarischen Vorberatung durch 28 Mitglieder die Annahme des neuen Gesetzes erfolgte. Es ist publiziert 1. Mai, in Kraft getreten 1. Okt. 1889.

Der Schwerpunkt des neuen Genossenschaftsgesetzes liegt in der Zulassung von G. mit beschränkter Haftpflicht. Das Genossenschaftsgesetz vom 4. Juli 1868, seit 1873 Reichsgesetz, kannte nur G. mit unbeschränkter Haftpflicht, d. h. G., bei welchen der einzelne Genosse für die Verbindlichkeiten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0372.jpg&oldid=- (Version vom 26.3.2025)