verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16 | |
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eine große Rolle, und man wird z. B. für Krankensäle unbedingt eine viel stärkere V. fordern müssen als für eine Kirche. Modifiziert wird das Ventilationsbedürfnis außerdem durch die spontane V., welche ohne weiteres Zuthun durch die Poren der Wände, durch Fugen und Risse erfolgt, und Morrin verlangt mit Rücksicht auf diese, daß folgende Luftmengen pro Kopf und Stunde künstlich durch besondere Ventilationsvorrichtungen eingeführt werden:
Krankenhäuser für gewöhnliche Kranke | 60–70 | cbm |
„ für Verwundete und Wöchnerinnen | 100 | „ |
„ bei Epidemien | 150 | „ |
Gefängnisse | 50 | „ |
Gewöhnliche Werkstätten | 60 | „ |
Kasernen bei Tag | 30 | „ |
„ bei Nacht | 40–50 | „ |
Versammlungsräume zu kürzerm Aufenthalt | 30 | „ |
„ zu längerm Aufenthalt | 60 | „ |
Durch die künstliche Beleuchtung wird der Kohlensäuregehalt der Luft in bewohnten Räumen ganz erheblich gesteigert; allein hier hat die Kohlensäure keineswegs die Bedeutung wie dort, wo sie lediglich Produkt der Atmung ist, und das Ventilationsbedürfnis würde hier in viel geringerm Maß mit dem Kohlensäuregehalt der Luft steigen, wenn nicht mit intensiver Beleuchtung eine so starke Erwärmung (z. B. in Theatern) verbunden wäre, daß hier mehr als an irgend einem andern Ort eine kräftige V. geboten erschiene.
Die spontane oder natürliche V. ist sehr viel stärker, als man gewöhnlich annimmt. In einem Arbeitszimmer von 75 cbm Rauminhalt wurden bei −1° im Freien und 18° im Zimmer in einer Stunde 75 cbm Luft ausgewechselt; als aber Thür- und Fensterritzen verklebt waren, sank der Luftaustausch unter sonst gleichen Verhältnissen auf 54 cbm. Bei einem Temperaturunterschied von 20° betrug der Luftwechsel 95 und bei 4° Differenz 22 cbm. Dazu kommt nun überdies der Luftwechsel beim gelegentlichen Öffnen der Fenster und Thüren, und man kann daher annehmen, daß unter gewöhnlichen Verhältnissen bei einigermaßen geräumigen Wohnstuben, in welchen nicht zu viel Menschen verweilen, eine besondere Ventilationsvorrichtung nicht unbedingt nötig sei. Von der Wirkung eines geöffneten Fensters darf man sich keine übertriebenen Vorstellungen machen. Bei Öffnung eines Fensterflügels von 8 QFuß Fläche stieg der Luftwechsel, der bei einer Temperaturdifferenz von 4° und bei geschlossenem Fenster nur 22 cbm betragen hatte, auf 42 cbm. Das Öffnen des Fensters wirkte also noch nicht so intensiv auf die Beförderung des Luftwechsels wie bei verklebten Fugen eine Temperaturdifferenz von 19°. Daraus folgt, daß von einer V. durch Fenster und Thüren bei vollkommen ruhiger Luft überhaupt nur die Rede sein kann, wenn eine genügende Temperaturdifferenz vorhanden ist, und ferner, daß die Größe des Luftwechsels in gewissem Grad von den Temperaturdifferenzen abhängig ist.
Die überraschende Höhe der spontanen V. erklärt sich in erster Linie aus der Porosität der Wände. Die Ventilationsgröße beträgt für 1 qm und 1° R. Temperaturdifferenz pro Stunde bei Wänden von Sandstein 1,69, Kalkbruchstein 2,32, Backstein 2,83, Kalktuffstein 3,64 und von Lehmstein 3,21 cbm, wobei die größere Durchgängigkeit der Kalkbruchsteinmauern gegenüber den Sandsteinmauern auf Rechnung der verwendeten Mörtelmenge, die bei erstern ungleich größer war, zu stellen ist. Der Mörtel ist ein überaus poröses Material, und bei Mauern aus Bruchsteinen fällt ihm der größte Teil der natürlichen V. zu. Die Durchgängigkeit des Mauerwerkes wird wesentlich beeinflußt durch die Art seiner Bekleidung und zwar in folgender Stufenfolge: Kalkanstrich, Anstrich mit Leimfarbe, ordinäre Tapete, Glanztapete (welch letztere beide die Durchgängigkeit um so mehr verringern, mit je dichterm Klebstoff sie befestigt sind), Ölfarbenanstrich, welcher in neuem Zustand den Luftwechsel völlig aufhebt. Feuchtigkeit beeinträchtigt die Durchgängigkeit wesentlich und zwar um so mehr, je enger die Poren des Baumaterials sind. Sehr erheblich beeinflußt ferner der Wind die natürliche V. Bei einigermaßen stark bewegter Luft preßt der Wind, welcher die Mauer trifft, reichlich Luft durch dieselbe in die Zimmer hinein, während die saugende Kraft des Windes zur Geltung kommt, wenn er in bestimmter Richtung die Mauern bestreicht. Diese Momente sind aber von so schwankender Bedeutung, daß sich kaum mit denselben rechnen läßt, und noch viel weniger eignen sie sich zur praktischen Verwertung, wenn man nicht mehr oder weniger komplizierte Apparate anwenden will, die selten leisten, was man sich von ihnen verspricht. Nur die Saugapparate verdienen unter Umständen größere Beachtung. Die natürliche V. wird erhöht durch die gewöhnlichen Heizapparate. Der vom Zimmer aus geheizte Ofen verbraucht viel Luft, die er zunächst dem Zimmer entnimmt, und auch wenn das Feuer im Ofen erloschen ist, wirkt der warme Schornstein, solange eine Klappe oder luftdichte Ofenthür geschlossen wird, saugend und erzeugt eine anscheinend lebhafte V. Über die Größe derselben hat man sich ebenso übertriebenen Vorstellungen hingegeben wie über den Wert des Öffnens der Fenster. Pettenkofer fand, daß in dem Zimmer, in welchem bei 19° Temperaturdifferenz in einer Stunde 75 cbm Luft durch die Zimmerwände eindrangen, der Luftwechsel auf 94 cbm stieg, als unter sonst gleichen Verhältnissen ein lebhaftes Feuer im Ofen brannte. Der Ventilationseffekt des Ofens betrug also nur 19 cbm und ist mithin fast bedeutungslos, wenn es sich um ein Zimmer handelt, in welchem für eine größere Anzahl von Menschen die Luft rein erhalten werden soll. Der Wert des Ofens aber sinkt noch mehr herab, wenn man erwägt, daß die durch Fenster, Thüren und Mauerwerk für die verbrauchte eindringende frische Luft größtenteils auf direktestem Weg dem Feuer zuströmt und für die Verbesserung der Zimmerluft ganz und gar verloren geht. Für künstliche V. sind sehr verschiedene Systeme angegeben worden, indem man sich teils auf die Benutzung der Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außenluft beschränkte, teils die verdorbene Luft abzusaugen versuchte (Aspirationssystem) oder aber frische Luft auf mechanischem Weg in die Zimmer einführte (Pulsionssystem). Auch hat man beide Systeme miteinander kombiniert. Bei der Porenventilation erweitert sich der Zuführungskanal für frische Luft zu einer großen porösen Ausströmungsfläche, welche die frische Luft an das Zimmer abgibt, ohne daß eine Empfindung von Zug entsteht.
In ausgiebiger Weise wird die V. durch die Zentralluftheizung bewirkt, wenn die Öffnungen für das Zuströmen der frischen warmen und das Abströmen der verbrauchten Luft so gelegen sind, daß das ganze Zimmer von dem Luftwechsel betroffen wird. Der Ausflußkanal wird bis über das Dach geführt und dort mit einem Saugapparat versehen. Ganz verwerflich ist es, bei der Luftheizung die Zimmerluft wieder in die Heizkammer zu leiten und sich hinsichtlich des Luftwechsel völlig auf die spontane V. zu
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0087.jpg&oldid=- (Version vom 3.10.2024)