Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/200

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

stiegen dichte Rauchwolken auf, die alle Gegenstände in einen düsteren, grauen Schleier hüllten. Wie wir weiter kamen, erschien uns die ganze Gegend wie eine Solfatara und endlich umgab uns der rußige, stinkende Dampf selbst, und raubte uns jede Fernsicht. Aus der Tiefe wurden unheimliche Töne hörbar: – das Aechzen der Pumpen, das Stöhnen der Dampfmaschinen, daß Rasseln der auf- und absteigenden Wagen, das Sprengen der Kohlenmassen unter unsern Füßen. Das Dröhnen in dem Eingeweide der Erde, dazu die auf den Eisenbahnen zum Strome dahin rollenden Wagen, welche eine unsichtbare Kraft zu bewegen schien, das geschäftige Hin- und Hereilen der schwarzen, berußten Menschen gaben der ganzen Scene etwas Grausenhaftes, Gespenstiges. Plötzlich zerspaltete sich das Gewitter über uns, der Himmel wurde zum Feuermeeer, der Donner brüllte, der Regen stürzte in Strömen nieder. Wir eilten zu dem nächsten Zechenhause, einem weiten Gebäude mit thurmhohen Schlöten, und traten ein.

An die Stelle der Beängstigung trat zuerst Staunen, dann Bewunderung. Alles in dem Hause war in Kohlenstaub gehüllt, schwarz, finster; aber desto imposanter sah der Geist der Ordnung und Regelmäßigkeit durch, welcher in den weiten Räumen herrschte. Den Hauptplatz nahm die große Dampfmaschine ein, die Seele des Ganzen. Sie hatte eine Kraft von 300 Pferden, und die colossalen Cylinder von 5 Fuß Durchmesser hoben sich so ruhig auf und nieder, daß man kaum ein Geräusch vernahm. Ein gußeiserner Balancier, 400 Centner schwer, regelte ihre Wirkung; ruhig senkte sich der herkulische Hebel und hob sich wieder in stetem Wechsel. Hundertfältiges Räderwerk und Getriebe ging so still und sanft wie ein Uhrwerk. Boulton hatte die Maschine gebaut; mir schien der Geist des großen Meisters gegenwärtig: ich war voller Ehrfurcht. Neben der Maschine öffnete sich ein Schlund der Tiefe. Wagen voller Kohlen, Bergleute, schwarz wie das, was sie ausbeuteten, Beamte mit rußigen Gesichtern kamen herauf und verschwanden, schnell wie die Schatten. Bei aller Thätigkeit um und neben und über und unter uns nirgends Lärm, nirgends Verwirrung. Ueberall Eile ohne Uebereilung; überall That: – nirgends Worte.

Auf die Einladung des uns begleitenden Offizianten stiegen wir in einen leeren Kohlenwagen, der eben in den Schacht einfahren wollte, und auf ein Zeichen ging es mit Blitzesschnelligkeit hinab, mehre hundert Fuß tief. Wir hielten an der ersten Gallerie, wo das oberste Kohlenflötz, das hier eine Mächtigkeit von 5 Fuß hatte, ausgebeutet wurde, und stiegen aus, um die Kohlengewinnung selbst zu betrachten. Ein Bergmann eilte auf das mit einer Pfeife gegebene Zeichen des Offizianten herbei und führte uns zur nächsten Arbeitsstrecke. Man hatte eben eine etwa 12 Fuß lange Wand verschrämt, die nun mittelst eines mit Pulver gefüllten Bohrlochs abgesprengt werden sollte. Der Schuß geschah; eine Kohlenmasse von mindestens 300 Centnern stürzte herein, meistens in großen, ja zum Theil so großen Stücken, daß sie drei Mann nicht bewegen konnten und sie mit Hammer und Keil gespalten werden mußten. Wie ganz anders sah ich es nachher in Deutschland, wo man die Kohle bis zur heutigen Stunde noch mit der Keilhaue gewinnt! Um, wie dort, 300 Centner zu gewinnen, braucht ein Bergmann auf deutschen Werken wohl eine ganze Woche; die Gewinnungskosten sind dann das Fünffache