Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Heute sind es zwei und dreißig Jahre, da ward Andreas Hofer zu Mantua erschossen.
Welche Welt der Schmach hat Deutschland auf seinen Atlasschultern getragen! An dem Tage, wo der beste Mann in Oesterreich blutete, da feierte Oesterreich’s Kaiserhof die Verlobung von Franzens Tochter mit Napoleon! – –
Durchblättert die Bücher der Geschichte von Nimrod an bis zu Hofer’s Todestag, den Pendant dazu sucht ihr vergeblich! –
Du hast dein Märtyrerthum längst ausgeduldet, edler Hofer, auch haben wir Volks- und Nationalkalender zu Dutzenden, aber noch sehe ich in keinem deinen Namen. Wär’ ich Papst, ständest du golden gedruckt in allen, und hervorleuchten sollte mein Sankt Hofer aus dem welschen und griechischen Heiligentroß wie eine frische, volle Aehre aus leerem Stroh. In die vita sanctorum müßte die Hoferlegende deutsch und mit rother Schrift, und jeder deutsche Priester müßte sie vorlesen dem Volke wöchentlich einmal. Warum machte dich das alleinseligmachende Rom nicht selig? Warst du nicht Christ und fromm wie Einer? Hast du nicht Wunder gethan, größere Wunder als Viele? Hast du nicht herrliche Thaten verrichtet, die Gott erfreuten? Hast du nicht unverwerfliches Zeugniß abgelegt, daß der Geist des Herrn gekommen war über dich? und hast du nicht dein Märtyrerthum standhaft erlitten? Und doch will die Canonisationsbulle nicht kommen, die dich in den Kalender bringt und deinem Volke das Recht gibt, dir Capellen zu bauen und wallfahrten zu gehen zu deinem Altare. Da sind die freien Deutschen, die Schweizer, doch besser daran; die bauten welche ihrem Tell und ihrem Winkelried, ohne das „cum approbatione sancti patris“ zu bedürfen.
Aber Ehre ist dir doch auch widerfahren, Hofer! große Ehre, von der die Schweizer nichts gewußt. Du bist ja sammt deiner Descendenz geadelt worden – und es ist schon was werth, wenn ein Amerikaner, der kürzlich Tyrol bereiste, schreiben durfte: „I saw the residence of the renowed Von-Hofer-family; and a rather farm-looking house it is, not at all like a noble castle[1].“ Dem rohen Republikaner war’s wohl zu verzeihen, daß die Möglichkeit, wie man die Familie des Helden hat adeln können, – ihm so wenig zu Kopfe wollte, als ein Baronisiren seines Washington.
- ↑ „Ich sah auch die Wohnung der berühmten von Hofer-Familie; doch kam sie mir ein bischen bäuerisch vor, keineswege wie ein adeliches Schloß.“
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/19&oldid=- (Version vom 6.1.2025)