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Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/168

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nach den Gelüsten seiner Einbildungen und Leidenschaften zu jagen denkt, der preist sie als Unterlagen einer kommenden Weltzerrüttung, und singt dieser schon jetzt bacchantische Hymnen. Auch ich glaube an ihre Heilkraft für eine Zeit, die zwischen Uebermaß von Schwäche und Fülle von Kraft das Gleichgewicht nicht finden kann; aber ihre unheimlichen Zeichen und Beigaben betrachte ich mit Vertrauen auf eine gütige Vorsehung, welcher die dämonischen Mächte auch wider Willen dienen. –

Viel klarer hat sich des Herrn Weg in dem dritten Ereigniß geoffenbart. Der Friedenspakt von Nanking mit seinen Consequenzen ist der Zauberspruch, der den diabolischen Bann löst, in welchem ein Drittheil des ganzen Menschengeschlechts seit viertausend Jahren befangen war und in regungsloser Erstarrung lag. Welch eine Mission für England, wie glorreich und wie groß! Band für Band, Fessel für Fessel wird es abschlagen den viertehalbhundert Millionen Brüdern, welche der eiserne, herzlose Despotismus aus denkenden, kulturfrohen Völkern nach und nach zu Maschinen umwandelte, deren Thätigkeit, alles geistigen Impulses und Entzweckes ledig, keine höhere Beziehung mehr kannte, als die zum physischen Leben. Was man früher bei der hermetischen Verschlossenheit des Centralreichs nur vermuthete, das hat sich durch den Krieg mit England als wahr geoffenbart: – in China war die Menschheit ein Cadaver geworden, ein todter Klotz, ein bewegungsloses Ungeheuer, ohne andere Kraft und Widerstandsfähigkeit als die, welche die Masse verleiht. Wissen und Können war verknöchert, kein lebendiger Gotteshauch war mehr rege. Keine Entdeckung, keine Erfindung, keine einzige Zugabe zur menschlichen Wissenschaft, wäre sie auch nur ein Senfkorn groß, kam seit Jahrtausenden aus dem chinesischen Menschenmeer. Abgestorben stand der Völkerbaum und rankte über einen halben Welttheil seine versteinerten Aeste! Wie hätten es sonst zehn tausend Briten wagen dürfen, auszuziehen gegen ein Reich, das hundert Millionen wehrhafte Männer zählt, einer also gegen zehntausend? Wie konnte das verwegene Thun also enden? Wie sich das Reich für überwunden erklären und Bedingungen annehmen, welche ihm ein fremdes Häuflein diktirte? Hörten wir doch, daß britische Truppen Städte eroberten, die so viel tausend Bewohner zählen, als jene Einzelne, und vernahmen, daß Hunderte hinreichten, die Bevölkerungen von Millionen im Zaum zu halten. Noch staunt man und kann das Wunder nicht begreifen, das die Nachwelt gar nicht glauben wird. Doch ist’s keine Fabel, denn es ist geschehen vor unsern Augen.

Was ist die nächste Folge? Der Zauber der Allmacht des Himmelssohns ist gebrochen, der Gürtel, der das Centralreich zusammen gehalten, ist gesprungen, es fällt der Coloß unaufhaltsam aus einander. Ein paar Jahrzehnte werden hinreichen, den Auflösungsprozeß zu entwickeln und die Civilisations- und Bekehrungssäfte, welche die Briten aus tausend und aber tausend Quellen in die stagnirende Masse leiten werden, können die Zersetzung