Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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wollten wie die Ratten, – sämmtlich zu Tode gehungert wurden; dort ist der Kerker, in welchem die Widertäufer die entsetzlichsten Martern erduldeten – und dort seufzten seit vielen Jahren deutsche Ehrenmänner mit geschornem Haupte. Die Allerbarmerin im Kirchlein drüben hört die Seufzer der Unglücklichen unter diesen grauen Dächern freilich niemals; aber ich kenne Einen, der Jeden gezählt hat. –
Passau ist im Innern heiter und reinlich; zwar nicht groß (es hat nur etwa 10,000 Einwohner), aber für seine Größe gut gebaut; ja Hauptstraßen und Märkte sind ausgezeichnet schön. Schade, daß die einst so berühmte Domkirche nach den Verwüstungen, welche die Flammen 1665 in derselben verrichteten, im allerschlechtesten Zopfgeschmack wieder restaurirt worden ist und nur noch durch ihre Masse imponirt. Auf dem Domplatz steht die Bildsäule des seligen Königs Max. Sie ist von kaltem Erz; aber warme Liebe hat sie aufgerichtet. Segnend streckt sie die Hand aus über das Land hin, die Hand, welche Bayerns Volke die Binde des Aberglaubens von den blöden Augen, die Schellen der Dummheit von den Füßen nahm.
Max war ein guter Katholik, und noch mehr – er war ein guter Christ. Gute Katholiken sind auch die Passauer, die ihm das Bild gesetzt, und frohe, rüstige, fleißige Bürger obendrein; daß sie aber Max die Säule aufrichteten, damit haben sie sich und ihren Sinn am meisten geehrt. Max ist nicht mehr; – aber Mönche und Jesuiten sehe ich wieder. Den Gedankenblitz, welcher mich in diesem Augenblick durchzuckt hat, mag ich nicht in Worte setzen; aber wohl darf ich den Zweifel aussprechen, – daß nimmermehr so furchtbare Stürme dahergefahren sind über den Erdtheil, daß nimmermehr der Herr zu Gericht gesessen hat in solcher Herrlichkeit über Lug und Trug und Frechheit und Uebermuth darum, daß, während der Donner seines Urtheils noch nachhallt in den Ohren der lebenden Zeugen, ein dunkles Reich sich wieder aufrichte, in dem jede Kraft ein Mißklang ist, jedes selbstständige, freimüthige Urtheil eine Anmaßung, jedes überwiegende Talent eine gefährliche Gewalt, jede Idee, welche nicht gewissen Zwecken dient, eine Plage, Humanität eine Schwärmerei, cosmopolitische Gesinnung Demagogie, Erhebung und Begeisterung eine Narrheit, die zum Noviziat des Toll- oder Zuchthauses berechtigt. Ehrenwerth ist das Streben, jenes ruhige, behagliche Wohlbefinden der Massen wieder herzustellen, welches lange Zeiten des Kriegs zerstörten bis zum untersten Grunde; aber höher als das materielle Wohl der Völker steht das geistige, das sittliche, das vernünftige, und dieses zu fördern, ist die größere Aufgabe, welche durch Begünstigung des Jesuitenthums, einer lauen Gleichgültigkeit, theilnahmloser Unbekümmerniß und systematischer Ertödtung alles selbstständigen Willens nicht gelöst wird. Ich denke, ein starkes Volk müsse sich aus rüstigen, gewandten, vielversuchten Männern, mit Adel der Gesinnung, Kraft und Selbstgefühl begabt, zusammensetzen – nur ein solches sey des deutschen Namens werth und nur ein solches den Stürmen künftiger Zeiten gewachsen.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/140&oldid=- (Version vom 7.12.2024)