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Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/159

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CCLXVII. Lyon.




In einem von Anhöhen eingeschlossenen fruchtbaren Thale, zum Theil auf jenen Anhöhen selbst, inmitten eines breiten, dichten Kranzes von Gärten und anmuthigen Landhäusern, unfern der Vereinigung zweier schiffbaren Ströme, der Saone und Rhone, liegt Lyon, die zweite Stadt Frankreichs. Von den höhern Stadttheilen schweift der Blick weit über das breite Thal und bis zum Jura hin, ja, bei klarem Himmel sieht man die weiße Kette der Alpen, scheinbar mehr dem Himmel angehörend, als der Erde, am Horizont glänzen, oder sich wiegen auf den Wolken.

Lyon ist das Lugdunum der Römer, und eine Menge Denkmäler erinnern an das klassische Alterthum. Die Stadt hat gegenwärtig an 10,000 Häuser und 200,000 Bewohner. Fast alle Gebäude sind massiv, in den ältern Stadttheilen oft 6 bis 7 Stockwerke hoch, und sie stehen dort in engen, winklichen, immer schmutzigen Straßen dicht bei einander. Desto schöner sind die neuern Theile, mit breiten, schnurgeraden Straßen und regelmäßigen Plätzen. Acht Brücken führen über die Saone, welche Lyon durchströmt und in zwei ungleiche Hälften scheidet. Die merkwürdigsten und schönsten Gebäude sind: das ehemalige Jesuiten-Collegium, der Dom, das Stadthaus, das Zeughaus, das große Hospital (NOTRE DAME DE PITIÉ) und ein sehr geräumiges Theater. Für Wissenschaft und Kunst war in Lyon von jeher ein reger Sinn und Wetteifer mit Paris. Die drei großen öffentlichen Bibliotheken haben zusammen über 500,000 Bände, und das Local der Stadtbibliothek ist vielleicht das schönste in Frankreich. Eine Gemäldegallerie, ein Museum für Alterthümer, zwei naturhistorische Sammlungen, ein großer, botanischer Garten, gehören zu den Jedermann zugänglichen Mitteln, sich zu unterrichten, und eine Menge Vereine (königl. Academie, naturforschende Gesellschaft, und die viel wirkende, literärische Academie für die Provinz), so wie die höhern Lehranstalten (Universität, Lyceum, Thierarznei-Schule, Zeichenacademie etc. etc.), befördern die allgemeine Bildung.

Lyon war, vermöge seiner Lage, am Vereinigungspunkte von zwei großen Wasserstraßen, zu allen Zeiten ein wichtiger Handelsort. Doch die Hauptstütze seiner Größe und seines Reichthums hat es immer in seinen Seidenmanufakturen gefunden, deren mehr oder minderer Flor auch den der Stadt bedingt. Ihre beste Zeit fällt in das Ende der Regierungsperiode Ludwigs XIV., jenes Monarchen, dessen Prachtliebe in der ganzen übrigen Welt übertriebenen Luxus verbreitete, wodurch der Verbrauch der Seidenstoffe in’s Unglaubliche sich steigerte. Damals

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/159&oldid=- (Version vom 29.11.2024)