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Seite:Meyers Universum 5. Band 1838.djvu/54

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Tag blickt der rechte Mann mit Zufriedenheit, und es bleibt ausgemacht: Rühmliche und freudvolle Ruhe ist nur der Lohn eines in Anstrengung und Mühen für edle und nützliche Zwecke hingebrachten rühmlichen Lebens. Glaube mir: Washington beschloß seine Tage in ländlicher Zurückgezogenheit mit reichern und ganz andern Gefühlen und Genüssen, als in jenem königlichen Hause ein Prälat, welcher von früher Jugend an bis zum Grabe sich im Schooße der Ruhe, der Sorglosigkeit und des Ueberflusses wiegt.

Königlich nannte ich das Haus; und fürwahr, kein Monarch der Erde möchte sich dessen schämen. Aber auch ganz Oesterreich hat kein zweites Mölk, keine Abtei so prachtvoll und so unermeßlich reich, als diese der Benediktiner. Ihre Einkünfte betragen mehr als eine Million. Es ist einleuchtend, daß die Ordensgeistlichen sie unmöglich ganz für sich verbrauchen können, und rühmlich ist’s, daß ein wissenschaftlicher, dem Orden eigenthümlicher Sinn die Ueberschüsse zur Unterhaltung höherer Bildungsanstalten und Institute anwendet, welche seit langer Zeit mit der Abtei vereinigt sind. Mölk enthält ein theologisches Seminar, ein Gymnasium (besonders zu gründlichen philologischen Studien geeignet), mit einem Conviktorium für arme Schüler, eine berühmte (an Incunabeln und Handschriften reiche) Bibliothek, und ausgezeichnete naturhistorische und kunstgeschichtliche Sammlungen.

Der Bau der der Donau zugekehrten Fronte (des sogenannten Stifts) ist ein Werk Brandauer’s, in welchem Oesterreich einen Palladio ehrte. Dem prächtigen Aeußern ist das Innere entsprechend. Ueberaus reich geschmückt ist die Kirche, vor derem Portal die colossalen Statuen der Heiligen Leopold und Coloman aufgerichtet stehen. Den Plafond der großen Kuppel malte Rothmayr, an den Altären halfen ihm Bachmann und Paul Troger. Noch bedeutendere Schätze der Malerei bewahrt die Prälaten-Kapelle; viele Bilder altdeutscher Meister aus der besten Zeit.

Aus den Fenstern dieses geistlichen Pallastes und von den erhabneren Punkten des Stiftgartens genießt man reizende Aussichten auf die Donau und deren Umgebungen, von einer Reihe bewaldeter Berge im Halbkreise umlagert. Von vielen der letztern prangen Burgen, oder blicken Kapellen und Ruinen herab: – zunächst Weiteneck, in Trümmern, etwas ferner die wohlerhaltenen Schlösser Schönbiel und Lubeneck, und die Kirche Maria-Täferl, einer der berühmteren Wallfahrtsorte Oesterreichs.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/54&oldid=- (Version vom 24.8.2024)