Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band | |
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Unter die Resultate, welche die täglich allgemeiner und ausgedehnter werdende Anwendung der neuen Kommunikationsmittel, Eisenbahnen mit Dampfwägen und die Dampfschifffahrt, begleiten, gehört auch die Wiederaufsuchung und Herstellung der alten, diametrischen Verkehrswege zwischen den europäischen und asiatischen Kontinenten. Bahnen, welche seit vier Jahrhunderten verlassen und verödet waren, beleben sich wieder und auf den Schwingen, womit die wichtigste Erfindung unserer Zeit den Verkehr zwischen Ländern und Völkern beflügelt, dringt europäische Kultur und Gesittung in das Gebiet der asiatischen Bildung und macht da in einem Jahre größere Eroberungen als vordem in fünfzig. Die Dampfschifffahrt auf der Donau z. B., die dadurch hergestellte unmittelbare Verbindung des Herzens von Deutschland mit Konstantinopel, wird in ein Paar Jahrzehnten das schönste Land Europa’s der Civilisation sicherer wiedergewinnen, als durch die Gewalt christlicher Waffen geschehen konnte; eben so wird sie die herrlichen Länder der Levante in den Kreis wieder einführen, aus dem sie geschieden sind, seit die Sonne der Bildung untergegangen ist an ihrem Horizonte und der türkische Halbmond am Nacht-Himmel scheint. Schon ist geschehen, was man vor einem Jahrzehent nicht für möglich halten durfte; Konstantinopel legt Kaftan und Turban ab, und es werden europäische Formen und Sitten sichtbar, wo die des Orients so lange Alleinherrschaft behaupteten. Eben so in der Levante und auf den Inseln, wo die Dampfschifffahrt den Verkehr mit Europäern vervielfacht.
Eine Dampfboot-Tour nach der türkischen Hauptstadt von der Donau aus ist fast etwas so Gewöhnliches geworden, wie eine Eilwagenfahrt von Paris nach Berlin. Man kehrt gemeinlich über Smyrna und Triest zurück. Diese Fahrt ist eine der interessantesten Partieen: und die Gegenden, welche man berührt, oder sieht, sind eben so sehr um ihrer Schönheit, als historischen Merkwürdigkeit willen berühmt. Wenn das Dampfschiff der Dardanellen romantische Ufer verlassen hat, wendet es sich, an Tenedos vorbei, der herrlichen Küste von Kleinasien zu, die den Reisenden mehre Stunden lang zur Seite bleibt. Ein grandioser Anblick erwartet ihn an den Ruinen der Alexandria Troas; magisch erheben sich dort die Riesenmauern der öffentlichen Bäder und die imposante Masse entschuldigt den Glauben des Volks, daß sie der Pallast des Priamus gewesen. Die weißen glänzenden Bogen scheinen über einem Eichenwald zu schweben, der die umgebenden Hügel deckt. Hoch über die Trümmer ragt aber des Ida
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1837, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_4._Band_1837.djvu/49&oldid=- (Version vom 11.9.2024)