Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band | |
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Unter allen Bildungsanstalten ist aber die Universität diejenige, auf welche Leipzig mit dem gerechtesten Stolze sieht. Sie besitzt, – ein schönes Zeugniß von der Munifizenz seiner Fürsten! – ein eigenthümliches Vermögen, (großentheils Grundbesitz,) das nach jetzigem Werthe fast eine Million Thaler betragen mag, und zieht aus demselben ein jährliches Einkommen von 30,000 Thalern. Ihr Haupt ist der Rektor Magnificus und den 4 Fakultäten stehen 4 Dekane vor, welche aus den 23 ordentlichen Professoren alter Stiftung gewählt werden. Die Gesammtzahl ihrer öffentlichen Lehrer übersteigt gegenwärtig 70.
Seit den vier Jahrhunderten ihres Bestehens hat die Leipziger Hochschule den Ruhm, eine der besten Europa’s zu seyn, ungeschmälert behauptet und sie besaß zu jeder Epoche gefeierte Lehrer von europäischem Rufe. Darum ist sie auch jederzeit von Studirenden aus den fernsten Weltgegenden besucht worden. Besonders zeichnet sie sich durch die Pflege der philosophischen und theologischen Wissenschaften aus. Zur Förderung dieser Studien dienen mehre trefflich organisirte Institute, welche mit der Universität in näherer oder entfernterer Beziehung stehen. Das philologische Seminar z. B., von Hermann geleitet, hat für ein geschmackvolles Studium des klassischen Alterthums Unermeßliches geleistet und ist immer eine Pflanzschule gewesen, aus welcher die höhern Bildungsanstalten des Auslandes, Gymnasien und Universitäten, geschickte Lehrer zogen. Preußen namentlich dankt ihm viel, und seine tüchtigsten Philologen sind geborne Sachsen oder gingen bei den Sachsen in die Schule. – Die Universitätsbibliothek ist etwa 80,000 Bände stark und im Fache der klassischen Litteratur reich.
Für die Kunst ist ein reger, lebendiger Sinn unter den Reichen Leipzigs und wenige Städte von ähnlicher Größe werden so viele und so bedeutende Sammlungen im Privatbesitz nachzuweisen im Stande seyn. Die Speck’sche Gallerie und das Otto’sche Kabinet von Kupferstichen und Handzeichnungen sind weltberühmt. Kleinere, aber durch Meisterwerke reiche und kostbare Sammlungen sind die von Brockhaus, Baumgärtner, Weigel; und an dem Weigel’schen Kunstantiquariat, dessen mit seltener Sachkunde abgefaßte Kataloge einen hohen wissenschaftlichen Werth haben, besitzt Deutschland ein in seiner Art einziges Institut.
Als Fabrikort war Leipzig immer unbedeutend, und Manufakturen haben hier, nehmen wir wenige aus, niemals ein rechtes Gedeihen gefunden.
Als Handelsplatz hingegen ist Leipzig, wenn man alle seine Geschäfte in ihrer Gesammtheit betrachtet, unter den Binnenmärkten in Deutschland der erste und größte. Die Pulsader des hiesigen Verkehrs sind die beiden Hauptmessen, (Jubilate und im Herbste) die bedeutendsten in der Welt, sowohl nach der Menge ihrer Besucher, als nach der Größe ihres Umsatzes. Die Zahl der fremden Kaufleute und Fabrikanten, Verkäufer wie Käufer, welche in der Jubilatemesse hierher kommen, wechselt zwischen 18 bis 24,000. Alle Handelsnationen der alten Kontinente, Europa’s und Asien’s, finden hier mehr oder weniger Repräsentanten und auch Nordamerikaner stellen sich häufig
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1837, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_4._Band_1837.djvu/42&oldid=- (Version vom 9.9.2024)