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Seite:Meyers Universum 4. Band 1837.djvu/170

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Wir gehen, sie zu besehen. Ein alt-römisches Thor, welches der Brücke gegenüberliegt, führt von dieser Seite in die Stadt. Das erste, was uns auffällt, ist ein Säulencoloß, ähnlich der Antoninssäule in Rom. Auf deren Spitze strahlt eine vergoldete Statue, die des Engels Raphael, des Schutzheiligen der Stadt. Die Straße am Thore ist großartig und die Wohnungen sind in gutem Stande, und wir sind schon geneigt, einen Theil unserer schlimmen Vorstellungen als irrig zu verabschieden, als uns ein Blick in die Seitengäßchen eines Andern belehrt. Ueberhängende, dem Einsturz drohende Häuser dort, lange Gartenmauern, Schutthaufen und wenige Menschen. Je weiter man in das Innere der Stadt vordringt, je öder wird es. Bald glaubt man sich an einen Ort versetzt, der eine harte Belagerung mit Seuchen und Pest überstanden hat. Man sieht altergraue Palläste, die durch Masse und schöne Portale imponiren und große Plätze schmücken, auf denen das Gras Schuh hoch wächst und über Schutthaufen Unkraut rankt. Die Menge geschlossener Klöster, deren unabsehliche Façaden hier ganze Straßen einnehmen, vermehren den melancholischen Eindruck. Es finden diese prachtvollen, weitläufigen Gebäude hier so wenig wie irgendwo in Spanien Käufer, und ihr neuer Herr, der Staat, läßt sie verfallen. In einigen Jahrzehnten werden die Klöster aller spanischen Städte größtentheils nur noch Ruinen seyn.

In düstere Betrachtungen versunken, schreiten wir durch eine, aus einer dicken Quadersteinmasse gebrochenen Pforte, und erst nachdem uns vom Führer bedeutet worden ist, daß wir uns im Vorhofe der großen Moschee befinden, schauen wir verwundernd auf. Der erste Eindruck ist nicht erheiternd. Finster starren rundum graue Mauern empor, Trümmer von herabgestürzten Zinnen und Gesimsen liegen auf dem grünlichen Boden umher und in den Ecken des Hofes reicht überwachsener Schutt bis zur Hälfte des untern Stocks. Aus den leeren Fensteröffnungen weht hie und da ein Strauch und langhalmiges Gras. Die Wände sind fast ohne Zierrath, und die wenigen vorhandenen sind verstümmelt oder verwittert.

Erst wenn man weiter in das Innere des unermeßlichen Gebäudes gekommen ist, wird man es den davon gehegten Erwartungen entsprechender finden. Schlanke Thore führen in von zierlichen, dünnen Säulen gestützte Bogengänge und in hohe, mit Kuppeln überdeckte Räume, deren magisches Licht von oben hereinfällt. Leider ist vom arabischen Schmucke derselben wenig mehr übrig, und die christlichen Eroberer haben an dem Wunderwerke so lange und so vielerlei geändert und verbaut, daß der ursprüngliche Plan kaum mehr zu erkennen ist. Den mittleren Theil der Moschee hat man zur christlichen Cathedrale gemacht, die, so prachtvoll sie auch ist, sich doch hier ganz am unrechten Ort befindet und keinen Ersatz für die Zerstörung gibt, deren Anlaß sie war. Die schlanken, gothischen Fenster, die christlichen Symbole und der reiche Bilderschmuck nehmen sich befremdend aus neben den, den untern Raum zierenden maurischen Arabesken, und die schweren Deckengewölbe lasten erdrückend auf den leichten, arabischen Arkaden. Letztere sind ganz aus kostbarem, vielfarbigem Marmor, und die dazu verwendeten