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Seite:Meyers Universum 4. Band 1837.djvu/164

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Wohnsitz aufschlug. Ein solcher Burggraf war damals ein Kaiser und Reich verantwortlicher Obervogt für die Verwaltung der Reichsgüter eines gewissen Distrikts, ein erblicher Reichsbeamter, wie die meisten Großen und Fürsten damaliger Zeit es gewesen. Erst nach Jahrhunderten bekam ihre Stellung zum Reichsoberhaupte eine veränderte Bedeutung. Kaiser Karl der Vierte machte die Burggrafen von Nürnberg zu Reichsfürsten, und die bisher verwalteten Krongüter huldigten ihnen als die neu geschaffenen Fürstenthümer Anspach und Bayreuth. Der bedrängte Kaiser Sigismund endlich setzte dem so schnellen Emporkommen des Geschlechts die Krone auf, indem er es mit der Kurmark Brandenburg (1417) belieh. Seinem Felsennest entflog der schwarze Adler, der nämliche, der jetzt, ausgewachsen, seine dunkelfarbigen Schwingen über die Hälfte des Vaterlandes breitet.

Und hier zieht es mich fast gewaltsam zu tiefsinnigen Betrachtungen über den Wechsel der menschlichen Dinge hin, denen ein Wortgewand wohl anstehen würde, in das sie zu kleiden mir aber versagt ist. Denke Keiner, ich vermeinte, über den Untergang des Alten zu klagen. Es ist ja das Recht der Gegenwart, auf den Katakomben der Vergangenheit zu wandeln, und naturgemäß rankt grünes, blühendes Leben über Gräbern sich am freudigsten auf. Wird doch auch das Neue vergehen, wie das Alte vergangen, wenn seine Stunde geschlagen! Drum keine Klage um dich, alter, lieber, todter, doppelköpfiger Reichsadler; – QUIESCE IN PACE.

Deine alte Burg aber, deren Räume noch immer gastlich und freundlich erhellt sind, um deren Zinnen noch immer die Tauben flattern, und auf welcher noch immer Störche und Schwalben nisten und die Sträuche ranken, welche der zarte Griffel Dürer’s so heimlich und lieblich in seinen Bildern verewigt hat, sie wird in ihrer Metamorphose unsere Enkel in spätern Jahrhunderten noch erfreuen. Statt der Gewalt lärmenden, kriegerischen Pomps zog der Kunst stiller Friede herein, und ihre unsterblichen Werke bedecken deren Wände würdiger, als einst vergängliches, glänzendes Rüstzeug. Es dient nämlich die Veste jetzt zur Aufbewahrung eines Gemäldeschatzes, welcher kostbare Juwelen deutscher Kunst umfaßt. Ueberaus herrlich sind einige Tafeln Dürers, vor Allem sein Karl der Große und Kaiser Sigismund im Krönungsornate, kolossal, in ganzer Figur. Carolus Magnus ist eine Gestalt von fast überirdischer Hoheit; ein Wesen, gleichsam aus einer andern, höhern Menschenwelt. Nicht minder herrlich sind die vier Apostel, über deren Originalität München mit der Dürerstadt seit Jahrhunderten rechtet. Nürnberg behauptet von jeher, sein Magistrat, der die Tafeln an Max von Bayern verkauft, habe die Copien untergeschoben und die Originale behalten. Außer den Werken Dürer’s zieren die Schloßgallerie viele von Wohlgemuth, dem Lehrer unsers Albrecht, von Martin Schön, Hans Schäuffelin, Hans Kulmbach, G. Penz, Lucas Kranach und andern großen Meistern. Sie giebt in ihrer Gesammtheit eine Uebersicht der deutschen Kunst von der ersten Dämmerungszeit an bis an das Ende jener Epoche, welche wir wohl, – was auch diffentirende Stimmen der Gegenwart dazu sagen mögen, – immer als diejenige zu betrachten haben werden, in welcher sie das Höchste erstrebt und erreicht hat.