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Seite:Meyers Universum 3. Band 1836.djvu/66

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steht ein kleines, länglich-viereckiges, überkuppeltes Kapellchen von Marmor. Ein schwerer seidener Vorhang, der für eintretende Pilger emporgezogen wird, verhüllt den Eingang, zu dessen Seiten auf massiven Leuchtern von Silber armdicke Kerzen brennen. Eine schmale Treppe von Porphyr führt den Pilger durch einen engen Raum, den er nur gebückt betreten kann, hinab zu der eigentlichen Gruft. Diese ist überall mit Marmortafeln bekleidet und mit himmelblauer Seide austapezirt. Sie bildet ein Viereck, 6 Fuß breit und lang und etwa 4 Fuß tief. Daneben liegt der Stein, auf welchen der Leichnam des Heilandes vor der Einsenkung gelegt wurde. Um diesen vor dem Verlangen der Pilger, ein Stückchen zu besitzen, zu schützen, hat man ihm ebenfalls eine Marmorbekleidung gegeben. Ueber dem Grabe brennen stets 27 große silberne Lampen, Opfergaben von Königen und Päbsten. Die Wände umher schmücken Gemälde, die Himmelfahrt und die Erscheinung des Heilandes im Garten vorstellend: Werke von geringem Kunstwerth.

Am Grabe, wo wegen des engen Raumes immer nur 5 bis 6 Pilger auf einmal kurze Gebete verrichten dürfen, steht Tag und Nacht ein Priester (abwechselnd Katholik, Grieche, Armenier und Kopte) mit Weihwasser in silbernen Gefäßen, die kommenden Pilger zu besprengen und die Opfergaben in Empfang zu nehmen. In frühern Zeiten, wo der Andrang der Wallfahrer ungeheuer groß war und Mancher Monate lang auf die Gelegenheit, zugelassen zu werden, harren mußte, floß oft Blut deshalb in Strömen. In unsern kühleren Zeiten fällt, begreiflicher Weise, die Ursache zu solchen Scenen weg; doch vergeht kein Tag, wo nicht Christen von allen Bekenntnissen, (hier, vor dem Grabe des Meisters, muß wohl der Hader der Diener schweigen!) Männer wie Frauen, aus allen Gegenden der Welt herbeikommen, um in ehrfurchtsvollem Gebet ihre frommen Gelübde zu lösen. Gemeinlich bringen sie Rosenkränze und Kreuze mit aus der Heimath, Freunden gehörig, sie weihen zu lassen am Grabe des Erlösers.




CV.[WS 1] Die Stätte von Sardis.




Wir wandern schon wieder zu Ruinen. Aegypten und Kleinasien – ehedem und jetzt! Welch ein schauerlicher Wechsel!

Damals, als die Bewohner von Theben ihrem Osiris opferten, versammelten sie in ihren Mauern die Reichthümer der Welt, und als die Bürger von Sardis den Weltgeist als Flamme verehrten, setzten sie, durch ihren

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: CIV.