Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
|
Wenn gleich die Monumente Aegyptens zu den ältesten unserer Erde gehören, so übertreffen sie doch an Anzahl und Größe alle vorhandenen Ueberreste griechischer und römischer Baukunst. Sie sind auch besser erhalten als diese letztern und scheinen zu beweisen, daß sich kein Volk mehr bemüht habe, das Andenken von sich, von seiner Größe, Macht und Kultur auf die späteste Nachwelt zu bringen, als die Aegypter. Die Ursache von so langer Erhaltung ägyptischer Denkmale liegt zunächst in ihrer vortrefflichen Construction, in ihren colossalen Verhältnissen und in der Wahl der Steingattung: denn die Aegypter bauten größtentheils mit dem festen, Jahrtausende den Einwirkungen der Luft und der Sonne widerstehenden Sandstein; die Römer und Griechen hingegen mit Marmor, der nach 19 Jahrhunderten fast stets verwittert ist, wie uns ihre Baureste, mit wenigen Ausnahmen, beweisen.
Theben, als der älteste Centralpunkt des Reichs und seiner Kultur, liefert uns begreiflicherweise mehr als irgend ein anderer Ort in seinen Ueberbleibseln von Tempeln, Pallästen, Pyramiden, Obelisken, Hypogeen und Katakomben die merkwürdigsten Beiträge zur Geschichte der Architektur, und durch seine Sculpturen, Wandgemälde und Bilderschriften die reichsten Quellen zur Urgeschichte der Menschheit. Vor der französischen Expedition waren sie durch Reisen eines Pocock, Norden und Bruce nur unvollkommen bekannt geworden; Erst Bonaparte, der, großsinnig, die Zwecke des Kriegs mit denen der Wissenschaft zu verbinden verstand, hat durch das auf seine Kosten und Veranlassung von Denon edirte Prachtwerk: – DESCRIPTION DE L’EGYPTE – der Welt die Wunder des Nilthals und der Wüsten, die es begrenzen, gänzlich aufgeschlossen. Er setzte dadurch seinem berühmten Feldzug ein dauernderes Denkmal, als das französische Volk kürzlich in der Aufrichtung eines Thebaischen Obelisken an dem Strande der Seine gethan hat.
Die Ruinen von Theben liegen, im heutigen Oberägypten, zu beiden Ufern des Nils, ungefähr 3 Tagereisen von Kairo. Sie nehmen eine Aera von etwa 3½ Quadratmeilen ein. – Mehre arabische Dörfer – Medinet-Abu, Luxor, Karnak, Gurah, – vom Staube der Metreopole erbaut, bedecken nur einen kleinen Theil ihres Raums.
Am linken Stromufer fallen zuerst die Trümmer einer großen mit Ziegelgemäuer umgebenen Rennbahn in die Augen. Dieser Hippodrom hat eine Breite von 3000 Fuß und eine Länge von 75,000. Er ist also 7mal größer als das Marsfeld von Paris. Eine Million Krieger fanden hier zu ihren Uebungen Platz. – Ihm gegenüber sieht man eine zweite, kleinere Rennbahn, 5200 Fuß lang und 3000 Fuß breit. Die sie umgebende Mauer hat die ungeheuere Dicke von 60 Fuß; sie ragt jetzt noch 9 bis 12 Fuß hoch aus dem Schutt hervor. Beide Gebäude dienten zu Wagenrennen und Wettläufen, zum Einüben der Heere, zur Feier der Siege. Die sie einst umfassenden Gebäude, Tempel, Tribünen, Balkone liegen in Trümmer; aber am großen Hippodrom unterscheidet man deutlich noch 39 Thore.
In dieser Rennbahn, gegen welche die der Römer als Kinderwerke erscheinen, feierten Busiris, Osymandias
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/57&oldid=- (Version vom 28.7.2024)