Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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die Bischöfe hochmüthig den Titel „Herzöge von Franken“ an. Ihr bestrittenes Recht dazu behaupteten sie mittelst einer Schenkungsurkunde Pipin’s, welche wahrscheinlich untergeschoben war. Eine Bulle Pabst Benedikt’s des Vierzehnten fügte die erzbischöfliche Würde hinzu, und ein zahlreiches Domkapitel, in dem von jeher die reichsten und prachtliebendsten Adelsfamilien des Reichs die Stelle der Capitularen suchten, erhöheten den Glanz eines Hofs, der mit dem von Mainz und Cöln wetteiferte, um die weltliche Glorie der Großwürdenträger der deutschen Kirche im höchsten Strahlenglanze zu zeigen. Der Fürst-Erzbischof genoß eine halbe Million Gulden Einkünfte, und die des Domkapitels erreichten den doppelten Betrag. Mancher König hatte geringere! Im 18ten Jahrhundert besaß das Hochstift ein Gebiet von 87 □Meilen, auf dem eine Viertel-Million Menschen in Wohlstand lebten. Armuth war kaum gekannt, und die großartigsten Wohlthätigkeitsanstalten sorgten dafür, ihre Spuren bei ihrem Entstehen zu verwischen. Das alte Sprüchwort: „unter’m Krummstab ist gut wohnen,“ war hier buchstäbliche Wahrheit und Würzburg unter allen Ländern Deutschlands gewiß eines der allerglücklichsten.
Die französische Revolution, ihre Kriegsstürme und Friedensfolgen endigten diesen beneidenswerthen Zustand. Würzburg wurde durch den Lüneviller Traktat (1803), nebst andern unmittelbaren geistlichen Besitzungen, der Krone Bayerns, unter dem Titel eines erblichen Fürstenthums, zugesprochen, als Entschädigung für an Frankreich abgetretene überrheinische Provinzen. Mit dem Verlust des fürstbischöflichen Hofes und der Säkularisation der reichen Stifter und Klöster gingen die großen Einkünfte derselben auch für das Land verloren; – sie wanderten größtentheils nach München. Würzburg wurde wie ein erobertes Gebiet behandelt. Dieser unglückliche Zustand dauerte jedoch nicht fort. Im Frieden von Preßburg (1805) machte man es zum neuen Tauschobjekt, und der ehemalige Großherzog von Toskana erhielt es, mit dem Titel eines Kurfürstenthums, als Aequivalent für Salzburg, dessen Besitz an Oesterreich überging. Bayern aber wurde anderweitig entschädigt. Würzburg sah, als Sitz des kurfürstlichen Hofes und als Residenz eines Fürsten, der durch die humansten Gesinnungen den neuen Thron schmückte, die alten glücklichen Tage wieder kehren. Nach der Auflösung des deutschen Reichs verwandelte der Fürst seinen Titel in den eines Großherzogs und trat als solcher dem Rheinbunde bei. Die Ereignisse 1813 und die Verhandlungen des Wiener Congresses verwandelten aber dieses Verhältniß von neuem. Der Großherzog erhielt seinen Erbstaat Toskana wieder, und das arme Würzburg fiel an Bayern zurück. Seitdem bildet es den größten Theil des Untermainkreises, und ist als dessen Hauptstadt der Sitz der obersten Verwaltungsbehörde (der Regierung) des Kreises.
Würzburg, das etwa 2000 Häuser mit 25,000 Einwohnern zählt und schön und stattlich gebaut ist, gewährt von jeder der nächstgelegenen Anhöhen eine sehr reizende Ansicht; die vollständigste und schönste aber hat man auf
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/249&oldid=- (Version vom 3.9.2024)