Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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Stalle nicht entspricht, so angemessen ist er dem des Landes, wo man gewohnt ist, das Vieh unter der Erde, in Kellergewölben, oder in Felsenhöhlen, zu überwintern. Namentlich in der Gegend von Jerusalem ist diese Einrichtung noch jetzt die gebräuchlichere.
Die Decke der Grotte zeigt den nackten Felsen und auch die Wände sind zum Theil das natürliche Gestein. An andern Stellen sind sie mit Marmor getäfelt und der Fußboden ist mit Porphyr und Jaspis künstlich ausgelegt. Ein kostbarer, mit Silberplatten bedeckter Altar steht auf der Stelle, wo der Heiland zur Welt kam, und ein Kranz von 32 immer brennenden, an goldenen Ketten von der Decke herabhängenden Lampen strahlt seinen Sonnenglanz herunter, den der Altar blendend zurückwirft. Rings an den Wänden umher flammen armdicke Wachskerzen auf massiven silbernen Leuchtern, und in der Mitte des Altarblattes steht in erhabenen, goldenen Lettern, von einer silbernen Strahlenglorie umgeben, die Legende:
Um den Schrein herum aber knieen in ehrfurchtsvoller Stille die Pilger und verrichten ihr lautloses Gebet.
Dem der Geburt gegenüber ist ein zweiter Altar, der Anbetung der Weisen gewidmet, und der Sage nach steht er auf der Stelle, wo die Maria die Gaben der Männer aus dem Morgenlande entgegen nahm. Ein gutes Gemälde von der Anbetungsscene, aus der byzantiner Zeit, ist über demselben aufgehängt.
Aus der Geburtskapelle führt ein schmaler, durch den Felsen gehauener Gang in zwei ähnliche, etwas tiefer liegende Grotten. Hier wohnte und starb der heilige Hieronymus, der urchristliche Hüter des Heiligthums, und jener Verbindungsgang war das Werk seiner Hände. Auch in diesen unterirdischen Zellen sind Altäre errichtet und brennen ewige Lampen.
Auf der Altane des Klosters hat man eine entzückende Aussicht, welche kein Reisender ungenossen läßt. Sie umfaßt die Berge und Thäler nach dem Jordan und dem Meere hin und gibt ein Panorama, in welchem eine Menge Punkte heilige Erinnerungen wecken und von höchstem, welthistorischen Interesse sind. Nahe bei der Stadtmauer sprudelt unter niedrigem Steindach der Davidsbrunnen, aus welchem die drei Getreuen ihrem durstigen Heerführer, mitten durch der Philister Lager sich wagend, jenen Trunk holten, den David hochherzig dem Herrn zum Opfer ausgoß, weil er mit der Waffengefährten Blut erkauft worden war. – In halbstündiger Entfernung bezeichnen 2 einfache Denksteine die Stelle, wo der Engel den Hirten erschienen, und anderthalb Stunden weiter ist die öde Felsengegend, die sogenannte Wüste, wo Johannes der Täufer die Ankunft Christi verkündigte. Eine Höhle bezeichnet man als dessen einstige Wohnung.
Daß der fromme Betrug in Bethlehem von jeher einen Hauptsitz hatte, und es ihm da an Gelegenheit zur Ausbeutung der Einfalt und Dummheit niemals gebrechen konnte, läßt sich denken. Wurde doch früher im Kloster der Franziskaner mit dem Stroh, worauf der Heiland geboren, dem Holze der Krippe, in welcher er zuerst geschlummert, ja mit noch andern Dingen, die der Anstand nicht einmal zu nennen wagt, viele Jahrhunderte lang förmlicher
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/237&oldid=- (Version vom 2.9.2024)