Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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Es wurde eine Frist von 30 Tagen verkündigt, binnen welcher sich jeder ketzerischer Meinung Schuldige selbst angeben und Reue versichern sollte. Geschah dieß, so wurde er blos um Geld gestraft und für ehrlos erklärt. Niemals durfte er ein Amt bekleiden, weder reiten, noch Waffen tragen. Doch behielt er Leben und Eigenthum. – Beides verlor aber der, welcher die Gnadenfrist verstreichen ließ. – Viele Tausende gaben sich an; als aber die Frist vorüber war, traten 20,000 besoldete Angeber, Späher und Häscher in Thätigkeit, und schon im ersten Jahre starben über 2000 der angesehensten Familienväter „zur Ehre Gottes!“ auf dem Scheiterhaufen. Auch Abwesende und längst Verstorbene konnten verurtheilt werden, wenn Zeugen deren ketzerische Meinungen beschworen. So hatte man ein Mittel gefunden, selbst unmündigen Kindern und Solchen, deren Rechtgläubigkeit nicht in Zweifel gezogen werden konnte, ihr Vermögen zu entziehen. Man holte die Leichname der verurtheilten Verstorbenen, oft bloße Gerippe noch, aus den Särgen und verbrannte sie gleich den Lebendigen.
Spanien füllte sich mit Gefängnissen an, – heilige Häuser nannte sie die christliche Kirche, – deren Einrichtung zum geflissentlichen Zwecke hatte, der Unschuld Schuldgeständnisse abzupressen, oder sie zu Tode zu martern; denn in beiden Fällen wurde die Hauptabsicht erreicht. Starb nämlich ein Angeklagter vor dem Geständniß im Gefängniß, so zeugte dies wider ihn und seine Güter gehörten dem Staat, der den Raub mit der Kirche (durch Stiftung und Dotirung von Klöstern und Abteien) gemeinlich theilte. – Auch Cordova wurde zu einem Haupttribunal der Inquisition gemacht, und diesem ein Theil des alten Chalifenpallastes, – dessen Trümmer nebst der mit 4000 Jaspissäulen geschmückten großen Moschee, (jetzt Kathedrale) noch heute die Bewunderung der Welt sind, – zum Wohnsitz eingeräumt. Tiefe unterirdische Gewölbe unter dem Pallaste wurden in Gefängnisse verwandelt. Mit Schaudern sieht man diese kaum 5 Fuß hohen Zellen, um welche ein stinkender Wassergraben so geleitet ist, daß die Jauche immer 2 Fuß hoch in den Zellen stehen muß, in welchen die Unglücklichen angekettet lagen. Ueber diesen befinden sich die Torturkammern, und jede Zelle kommunizirt mit denselben durch ein viereckiges Loch in der Decke, durch welches das Martergeschrei der Gequälten herab zu den Gefangenen drang. Während einer zweihundertjährigen Wirksamkeit soll der Cordover Gerichtshof 17,000 Todesurtheile gefällt haben. –
Die Furcht vor diesem grauenvollen Tribunal verleitete noch viele Tausende zur Auswanderung. Cordova entvölkerte sich von Jahr zu Jahr, wie fast alle Städte des unglücklichen Spaniens, und nur der Naturreichthum seiner Gegend hat es bisher vor noch tieferm Versinken bewahrt. Aber, mit Jesaias zu reden, „seine Herrlichkeit ist vergangen und seine Gegenwart ist ohne Glanz!“
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/186&oldid=- (Version vom 11.8.2024)