Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band | |
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Nachfolger in Aegypten, zog mit einem Heere gegen Palästina, unterjochte es, erstürmte Jerusalem und übersiedelte einen großen Theil der Einwohner nach Alexandrien. Aus den Händen der Aegypter kam es in die der syrischen Könige, der Nachfolger von Antiochus dem Großen. Dann ward es frei eine Zeitlang unter dem Heldengeschlechte der Maccabäer, bis einer der gewählten Fürsten den Pompejus mit den römischen Legionen in’s Land rief. Die Römer (64 v. Chr.) theilten die Herrschaft in eine weltliche unter Königen und eine geistliche unter Hohepriestern, beide durch römische Statthalter und ein römisches Heer übermacht. 134 Jahre dauerte dieser Zustand und in diese Periode fällt die Gründung des Christenthums. Gegen das Ende derselben brach der unruhige Geist der Juden, unter welchen die unglaubliche Uebervölkerung die Unbehaglichkeit auf’s Höchste gesteigert hatte, in Empörung gegen die Römer aus. Das reiche, große Jerusalem war der stete Heerd dieser Meutereien, welchen Vespasian und Titus, die römischen Cäsaren, dadurch ein Ende machten, daß sie, nach einer Belagerung, deren Schrecknisse ohne Beispiel sind, die Stadt erstürmten, plünderten, den Flammen preisgaben und die Einwohner (über eine Million) austilgten. Dennoch bauten sich die Juden wieder an auf der heiligen Stätte, und obschon Jerusalem nie wieder den frühern Glanz erreichen konnte, so war es doch 40 Jahre später ein ansehlicher Ort, der an 100000 Bewohner zählte. Hart, unerträglich vielleicht, drückte das Joch der Römer ihren Nacken, und – sie empörten sich von neuem. Da sandte Hadrian seine Legionen, auszutilgen alles Lebendige und Jerusalem der Erde gleich zu machen. – Es geschah; und damit kein Versuch des fanatischen Volks, die Stadt Davids wieder aufzubauen, möglich sey, und die letzte Spur derselben mit dem Namen sogar verschwinde, befahl er an ihre Stelle eine Veste aufzubauen, eine Römerstadt, AELIA CAPITOLINI geheißen, die er mit lateinischen Ansiedelern bevölkerte. Kein Jude durfte sie, bei Todesstrafe, betreten. –
So war das alte Jerusalem ausgelöscht von der Erde; aber die Heiligkeit seiner Stätte tilgten Schwerdt und Brandfackel nicht. – Als mit Konstantin dem Großen die christliche Religion den Sitz der Cäsaren einnahm, gab der Kaiser, im Verein mit seiner Gemahlin Helena, der Stadt des Hadrian den Namen Jerusalem zurück. Er ließ die heidnischen Tempel niederreißen und christliche Kirchen und Monumente erhoben sich aller Orten, wo der Heiland und die Apostel gelitten hatten, oder an welche sich fromme Erinnerungen knüpften. – So entstand das neue, das christliche Jerusalem. Zwei hundert Jahre lang schützte es der oströmische Adler. Er floh vor den mit dem Schwerdte und Koran welterobernd aus ihren Wüsten brechenden Arabern, und der Khalif Omar nahm im Jahre 637 Jerusalem mit stürmender Hand. Das Kreuz verschwand von seinen Zinnen, von welchen nun der Halbmond schimmerte; Kirchen verwandelten sich in Moscheen und der Koran ersetzte überall das Evangelium. – Unter der nachfolgenden Herrschaft der Turkomannen wurde der Druck der christlichen Einwohner so arg, daß die meisten auswanderten; die Berichte von der Grausamkeit der Türken gegen christliche Pilger erfüllten (gegen das elfte Jahrhundert) die christliche Welt. – Da predigte Peter von Amiens das Kreuz, – und aus den Händen der Ungläubigen erlösten die Schaaren der Christenvölker unter Gottfried von Bouillon (1099) die heilige Stadt. Es ward ein eigenes
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1835, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_2._Band_6._Auflage_1835.djvu/211&oldid=- (Version vom 27.6.2024)