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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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Wahrlich, es war ein großer, des Alterthums würdiger Gebanke, einen Lavaberg zum Thore Neapels auszuhauen. Wer ihn zuerst gehabt hat, wer der Meister gewesen ist, der die Gigantenidee ausführte, wissen wir nicht. Strabo erwähnt dieses Felsenthors zuerst, und Virgil widmet ihm einige Verse. Unbestritten ist’s ein Wert von Menschenhand, und zwar eines der kühnsten und größten: denn die Grotte des Pausilipp hat eine Länge von fast 1000 Schritten und ist bei ungewöhnlicher Höhe so breit, daß zwei Wagen sich bequem einander ausweichen können. Sie wird durch Oeffnungen erleuchtet, welche man schon unter der Regierung des Kaisers Augustus durch die Decke grub. Vor dieser Zeit erhellte man sie durch Lampen.
Der Volksglaube ist nie verlegen, wenn er für Großes den Urheber angeben soll. Hier machte er den Virgil zum Baumeister, – den großen Dichter, der sieben Jahre in Neapel lebte und dessen Grab über dem Eingang der Pausilippengrotte noch jetzt gezeigt wird. In der Vorstellung des gemeinen Neapolitaners ist Virgil ein Schwarzkünstler, der mit Hülfe der Magie, oder des Teufels, dieses Wunder hervorgebracht hat. Als König Robert von Anjou einst durch diese Höhle ging, begleitet von Petrarka, dem Dichter, fragte er diesen, ob er nicht auch glaube, daß Virgil mit höllischem Beistand dies Werk vollendet habe? Petrarka führte den Fürsten an eine Stelle, wo man noch deutlich die Meiselhiebe am Gesteine sehen kann, und antwortete: ich sehe hier nur die Spuren des Eisens, nicht des Teufels.
Der Weg durch die Grotte führt zum nahen Pozzuoli, zu den unheimlichen phlegräischen Feldern, und in jene, vom verborgenen Feuer erwärmten Gefilde, aus welchen der Luxus der alten Römer Gärten zu schaffen wußte, in denen sich die Pflanzenwelt der heißen Erdgürtel entfalten konnte. Lukullus hat hier seine berühmte Villa und Fischteiche gehabt; um letztere mit Meerwasser zu füllen, führte er sogar einen Kanal unter dem Berg weg bis zum Strande. Pausilypä – d. i. kummerstillend – nannten die ansiedelnden Griechen den Bergrücken, von dem das gemeine Volk Neapels noch jetzt sagt, er sey ein vom Himmel auf die Erde gefallener Lappen. Die Aussichten, welche er bietet, die Mannigfaltigkeit seiner Szenerien, seine mit blühenden und fruchtbeladenen Orangen und Feigen bepflanzten lieblichen Gehänge und mit Reben bedeckten Höhen, die außerordentliche Ueppigkeit des Bodens und die exotische Vegetation an vielen Stellen (Aloe und viele Cakteenarten wachsen wild, und die Baumwollstaude
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/59&oldid=- (Version vom 1.3.2025)