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Seite:Meyers Universum 11. Band 1844.djvu/206

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den verfolgenden Rachegeistern erwürgter Nationen ein Asyl gewähren. Der Weltgeist, welcher zürnend, richtend und strafend in die Geschichte getreten, – Er, welcher Unterdrücker und Unterdrückte, Henker und Opfer, Könige und Völker vor seine Assisen ladet, Einen nach dem Andern: – Er hat, nachdem langgedehntes Dräuen fruchtlos geblieben, in Dacien, wie in Hellas, die Grundfesten der alten Pforte so furchtbar gerüttelt, daß alle Angeln sich aus ihren Bändern hoben. Hängt auch in Dacien, durch die verächtliche Politik eines Nachbarlandes, bis zur Stunde die Fessel noch an den blutrünstigen Gliedern, so hat doch der Brennstoff in diesen Gegenden nur um so mächtiger sich angehäuft, und um so sicherer und furchtbarer naht die Flammen-Katastrophe, welche ganz Europa erschüttern muß. Die Diplomatie, welche die Türken als liebe Bundesgenossen herzt, die Götzendiener der absoluten Macht, welche in Konstantinopel ihre Muster und Vorbilder zu suchen gewöhnt sind, – sie können nicht abwenden, was sie als Unglück fürchten, und je mehr sie bemüht sind, in dem Labyrinthe einen Ausweg zu finden, um so gewisser ist ihnen derselbe verschlossen. Der erste, neue, ernste Versuch der türkischen Donauländer, sich zu emanzipiren, wird nicht mißlingen und Europa wird nicht, wie vor 15 Jahren, müßig zusehen, daß ein Volk unter dem Beistand christlicher Monarchen hingewürgt werde, dessen einziges Verbrechen ist, unerträgliche Ketten entschlossen abzuwerfen. Steht das Christenvolk von Neuem auf in diesen Ländern, so wird es geschehen unter der Akklamation aller Völker der gesitteten Welt, und die Kabinetspolitik, welche den Nationen eben so fremd ist wie verhaßt, sie wird erbleichen und – es geschehen lassen. –

„Was haben aber die Landschaftsbilder aus den türkischen Donaulanden mit den Völkergeschichten gemein?“ so fragen mich vielleicht Tausende. Nun Ihr, die Ihr so fragt, mögt mich entschuldigen! –


Unterhalb Belgrad stellt die Donau eine großartige Szenerie zur Schau, ähnlich denen des Rheins auf der Strecke zwischen Bingen und Koblenz; nur viel imposanter. Bald eingeengt durch hohe Felswände, bald seeähnliche Becken füllend, bricht der Riesenstrom, Berge zersägend und Abgründe austiefend, sich durch alle Hindernisse Bahn. Hier, inmitten der wildesten Natur, da, wo der Strom mit furchtbarem Brausen seine ungeheuere Wogenmasse durch einen 470 Fuß tief eingeschnittenen Felskanal jagt, setzte einst Trajan seine Legionen im berühmten Feldzuge gegen die dacischen Völker an das jenseitige Ufer. Noch verkündigen die Trajanstafeln bei der Felsbank Toiko der Nachwelt sein kühnes Unternehmen.

Weiter hinab, jenseits der Stromschlucht Greben, breiten sich die Gewässer wieder zu einer 6000 Fuß breiten, seeartigen Fläche aus; doch ehe noch jene beruhigt sind, reißen Felsen schon wieder den Strom in