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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band |
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noch trägt die Altstadt den Stempel dieser Zeit in seinen krummen, unregelmäßigen Straßen, während der jüngere Anwuchs, Neustadt und Aegydienneustadt, sich durch regelmäßige Anlage und schöne Straßen und Gebäude auszeichnen. Unter allen königlichen Residenzen Europa’s die kleinste hat die Stadt kaum 2200 Häuser und ihre Bevölkerung erhebt sich noch nicht auf 30,000. –
Hannover ist weder eine eigentliche Fabrik-, noch Handelsstadt. Hof, Adel, Beamte und ein glänzender Militairstaat sind die Elemente seines Lebens und seiner Blüthe. Künftig wird das anders seyn. Dadurch, daß Hannover zum wichtigsten Knotenpunkt im norddeutschen Eisenbahnnetze gemacht wird, muß es sich zu einem Centralpunkte des Verkehrs erheben, und auch die große Industrie wird da einen Sitz aufschlagen, wo so wichtige Grundlagen ihres Gedeihens vorhanden sind. Hannover hat in seiner Nähe an Urstoffen für großartig zu betreibende Gewerbe manche Schätze, welche, wie die Steinkohlen-, noch mehr aber die unerschöpflichen Torf- und Asphaltlager des Landes, zu einer bessern Nutzung dringend auffordern, die ihnen auch werden wird, sobald der Eisenbahnstern dem Spekulations- und Unternehmungsgeiste leuchtet. In unserer schnell schaffenden und gestaltenden Zeit dürften wenige Jahrzehnte hinreichen, um die Hoffnungen auf Hannovers Zukunft über alle Berechnung hinaus zu verwirklichen.
Unter vielen schönen Gebäuden, mit denen die neueren Stadttheile geschmückt sind, sind vorzüglich das königliche Schloß, das königliche Palais, die Domainenkammer, die polytechnische Schule, die Kadettenschule, das Ständehaus zu erwähnen. Die Markt- und die Neustädter Kirche sind groß; ihre Ansprüche an architektonische Schönheit aber klein. Eine Zierde der Stadt ist die hohe Siegessäule, welche die Hausermasse überragt und schon von fern verkündigt, wie doch man hier die Ehre der Schlachten schätzt; und in der That, kaum eine Stadt in Deutschland wird es geben, in welcher sich der unnütze Prunk der Soldateska so zur Schau stellt, als eben hier. Hannover wendet mehr auf ein Regiment, als auf das ganze Volksschulwesen des Königreichs.
Auch die Wissenschaft, so gering ihre Geltung hier seyn mag, hat in Hannover ein hübsches Ehrenmal. Vor dem Gebäude der königlichen Bibliothek steht unter einer Kuppel von antiker Form die Marmorbüste des großen Leibnitz.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Elfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1844, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_11._Band_1844.djvu/144&oldid=- (Version vom 5.3.2025)