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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/198

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CCCCLXIII. Die Inseln Procida und Ischia bei Neapel.




„Wär’ ich ein Crösus oder ein Bettler und hätte die freie Wahl meines Wohnorts auf Erden, ich wählte Ischia!“ äußerte Sternberg gegen den Maler. „Ist’s wirklich so schön?“ fragte Johanne den Neapeler Onkel, der eben in’s Zimmer trat. „Du mußt sehen und kannst dann selbst urtheilen!“ entgegnete dieser lebhaft. „Der Tag ist heiter, in einer halben Stunde fährt der Dämpfer ab. Wollt Ihr mit von der Partie seyn, so macht Euch fertig!“ Majora acclamirte, die Zauderer und Bedächtigen wurden zur Eile getrieben und die ganze Gesellschaft erreichte den Molo gerade in dem Augenblick, als der Dämpfer, ungeduldig, schon schnaufend, die Flügel zu regen begann. Kaum waren wir am Bord, so verkündete ein Kanonenschuß die geschehene Abfahrt.

Das Wetter war schön, doch der Wind nicht günstig. Die See ging hoch und hohl. Erst fuhren wir längs dem Posilippo, dann ließen wir Nisida rechter Hand liegen und schossen dicht vor dem Felskap des Misenus vorbei. Nach einer guten Stunde erreichten wir das hohe Ufer von Procida. Wir landeten bei dem Städtchen gleichen Namens, welches von Menschen und Gewerben wimmelt. Zwei große Hotels waren schon gestopft voll Reisender. Wir konnten kaum ein Unterkommen finden.

Abenteuernde Griechen aus Chalcis und Eretria, zweier Städte auf Euböa (jetzt Negroponte), colonisirten die Eilande des Neapeler Golfs. Der Name Procida (die Verschüttete) deutet den damaligen Zustand des Ländchens an. Ein Erdbeben hatte es zusammen gestürzt und die Ureinwohner waren geflohen oder umgekommen, als die ansiedelnden Griechen kamen. Wie hat es sich seitdem verändert! Procida ist ein Park, ein fruchtbarer Garten.

Wir erstiegen sogleich daß königliche Schloß, das hoch über der Stadt auf einem Felsen steht. Hübsche Anlagen umgeben es, in welchen Fasanen aller Art umherflattern. Sie fliegen über die ganze Insel und die strengsten Gesetze verschaffen den Thieren vollkommene Sicherheit. Ihretwillen durften die Einwohner ehedem keine Katze halten, und das ungerechte Königsgebot behielt so lange Kraft, bis die Kinder in der Wiege nicht mehr vor Mäusen und Ratten zu schützen waren. Vom Schlosse hat man eine unvergleichliche Aussicht auf das Meer, über die Inseln, auf Neapel und die Küste.

Nachmittags gingen wir nach Ischia ab; die angenehme Fahrt dauerte eine Stunde. Ischia ist die größte und schönste Insel des Golfs. In Kegelform dem Meere entsteigend erhebt sie sich anfangs sanft, dann aber