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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band |
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Nach Notre-Dame und dem Pantheon (St. Genevieve) ist Saint Sulpice die größte Kirche in Paris. Ihre Länge ist 360, ihre mittlere Breite 150 Fuß. Die Höhe ihres Mittelschiffs, die Pracht und Größe des Gebäudes, der schöne Grundplan und die imposante Massirung der Schauseite verdienen um so mehr Bewunderung, da der Bau dieses Tempels in die Zeit fällt, wo der schlechteste Geschmack der herrschende war. Er wurde 1646 nach dem Plane von Le Veau angefangen und 1733 bis auf die Thürme, welche man nur bis auf 212 Fuß Höhe führte, beendigt. Dem Entwurfe zu Folge hätten die Thürme 400 Fuß hoch werden müssen.
Das größte Verdienst um diesen Prachtbau hat Servandoni, von dem auch die Zeichnung zu dem majestätischen Portikus herrührt. Das vortreffliche Ebenmaß der Verhältnisse und seine einfach-edle Composition machen einen erhabenen Eindruck auf den Beschauer, würdig der Bestimmung, welcher das Gebäude dient. Es ist aus zwei Stockwerken gebildet; das untere gehört der dorischen, das obere der ionischen Ordnung an. Die dorischen Säulen sind 45 Fuß hoch bei 5 Fuß Durchmesser; die ionischen haben eine Höhe von 38 Fuß und 4½ Fuß Stärke. Das Mittelschiff ruht auf durch Bögen verbundenen Bündelpfeilern, welche bis zur gewölbten Decke 110 Fuß Höhe haben. Gleich bei’m Haupteingange stehen zwei Reihen corinthischer Säulen, zwölf an der Zahl, welche die große Orgel tragen. Die innern Ornamente sind fast sämmtlich von Marmor. Der Hochaltar ist von edler Composition, groß, majestätisch. Seine Form ähnelt der gewöhnlichen eines römischen Grabmals. Er ist ganz von farbigem Marmor. Der Chor ist zu reich ausgeschmückt, und das Gefühl der Überladung thut dem Effekt, den er außerdem machen würde, Eintrag. Alle Fenster desselben bestehen aus ältern Glasgemälden, unter denen man einige der schönsten Erzeugnisse der Kunst findet. Die sehr großen Statuen des Heilandes und der Apostel Paulus, Petrus und Johannes sind von Bouchardon und werden als Meisterwerke gerühmt. An den Hintern Theil des Chors stößt die Kapelle der heiligen Jungfrau, bei deren Ausschmückung die Prachtsucht sich überboten hat. Die Säulen in derselben sind von blauem Marmor, die Statuen von vergoldeter Bronze; die Kuppel aber ist von dem größten neuern Freskomaler Frankreichs, von Lemoine, gemalt. Das Sujet ist die Himmelfahrt der Maria, und es verdient den Preis aller Kenner. Der Lichteffekt des Bildes ist in der That magisch. – Auch die übrigen Kapellen sind sehensweth und größtentheils
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zehnter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1843, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_10._Band_1843.djvu/172&oldid=- (Version vom 13.2.2025)