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Seite:Meyers Universum 10. Band 1843.djvu/130

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die angenehmste des hiesigen Lebens, ist der Herbst, der bis tief im November, ja oft bis Weihnachten mit heiterer Milde waltet. Der Ueberfluß, die Mannichfaltigkeit und Vortrefflichkeit der Früchte, die er bringt, ist außerordentlich. Es ist nicht zu verwundern! denn das ganze Land ist ein Garten voll der herrlichsten Pflanzen. Alle Südfrüchte gedeihen im Freien, und aus den Feldern baut man, für den Bedarf der hiesigen Odeur- und Parfümerie-Fabriken, die köstlichsten, wohlriechendsten Blumen, wie im Norden den Flachs und die Rüben. Man sieht flurengroße Strecken mit Centifolien, Tuberosen, Heliothropen etc. etc. bepflanzt, deren Blüthen man wagenweise sammelt und zu den Essenzen verbraucht. Myrthen und Lorbeerbüsche, Cypressen, und die immergrüne Eiche wachsen an jedem Zaune, Olivenbäume beschatten die Wege.

Der große Verkehr des hiesigen Handelsstandes mit dem Auslande (es werden jährlich für mehr als zwölf Millionen Franken Wein, Pflaumen, Südfrüchte, Mandeln, Essenzen und Parfümerien in alle Weltgegenden versendet), das damit verknüpfte Reisen in ferne Länder und der tägliche Umgang mit so vielen gebildeten Fremden ruft eine Urbanität der Sitten hervor, die man nirgends in Frankreich in höherem Grade antrifft. Literatur ist hier, wo kenntnißreiche Menschen aller Nationen ohne ernste Beschäftigung leben, mehr als anderswo Bedürfniß. In den Lesekabinets, Klubbs und Kasino’s findet man die besten Journale Europa’s aufgelegt; 9 Buchhandlungen stehen in wöchentlichem, regelmäßigem Verkehre mit Paris und erhalten alle wichtigen und interessanten Erscheinungen auf dem Büchermarkte. Häufige Conzerte und ein Theater tragen zum höheren Lebensgenusse bei. Das Schauspielhaus ist schön eingerichtet und die Truppe immer eine der besten Frankreichs. Wohlfeilheil macht diese Vergnügungen allgemein zugänglich, so wie das Leben überhaupt in Montpellier wenig kostet; denn die Natur hat das Land selbst mit denjenigen Dingen, welche anderswo zu den Luxusartikeln gerechnet werden, in überschwenglicher Fülle dotirt. Die feurigsten und wohlschmeckendsten Weine, die auserlesensten Früchte sind so billig, daß sie Jedermann genießen kann; und Seefische, Austern, Wild, Geflügel etc. kommen zu niedrigen Preisen in Menge zu Markt.

In der wärmsten Jahreszeit flüchten die reichen Einwohner und Fremden aus der Stadt, und die gebildete Bevölkerung zerstreut sich in die freundlichen Landhäuser, welche auf den Höhen ein bis zwei Stunden im Umkreise zu sehen sind. Viele dieser Villen haben den Ausblick auf das nahe mittelländische Meer, und die erfrischende Seeluft macht sie zu einem angenehmen und gesunden Aufenthalt. Schon im April blüht hier die Orange, im Juni bindet die Schnitterin schon die Garben. Im September kehrt die reichere Gesellschaft zur Stadt zurück, und mit ihr das neue Leben in die geselligen Kreise.