Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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Ohr schlägt. Der Bücherdruck erstand. – Jetzt brach das Licht durch die Finsterniß des Zeitalters, die Saat des Wissens und Erkennens streute sich über die Erde aus und den in strenger Abgeschiedenheit und in gegenseitigem Haß von ihren Unterdrückern und Herrschern schlau erzogenen Völkern waren die Mittel gegeben, Ideen zu tauschen, sich zu verständigen, zu befreunden. – Die Entdeckung von Amerika war der dritte große Fund jener Zeit, mit welcher die Geschichte der Menschheit eine höhere Bedeutung erhält. Columbus erwarb für Spanien die zweite Erdhälfte und gab ihm den Welthandel, den er, und Vasco de Gama, Afrika’s Umschiffer, den Krallen des Venedischen Leu’s für immer entriß. – Bald trat auch das vierte große Ereigniß jener Periode ein, die Sonne der Reformation ging auf und scheuchte den Nebel hinweg, in welchen Betrug und Aberglaube die erhabene Lehre des Weisen von Judäa bis zur Unkenntlichkeit gehüllt hatten. Die Reformation, durch welche der erstorbene Glaube an eine thätige Tugend und an eine eigene Kraft den Christen wieder gegeben wurde, hatte zur unmittelbaren Folge, daß sie die Nationen zum Nachdenken weckte, die sich nun bald in einem andern Stande zu ihrem Schöpfer und zu ihren Brüdern betrachteten, als sie früher zu thun gelehrt worden. Selbst von den schwächern Völkern, die das volle Licht nicht zu fassen, oder doch nicht zu bewahren den Muth hatten, wurden nun viele zur Denkfreiheit erhoben und alle haben seine wohlthätige Wirkung geerndtet; denn auch die katholische Lehre ist gegen das, was sie früher gewesen, von zahllosen Schlacken gesäubert; sie reinigt sich immer mehr, und die Kraft des alten, blinden Glaubens, daß die Sünde für den baaren Thaler vergeben werde, oder ein Heiligenbild die eigene Schuld sühnen könne, ist tief gesunken.
Doch kehren wir zurück zum Faden unserer Geschichte. – Die Bevölkerung und Civilisation, und als beider Produkt, der Handel, schritten in Europa aus den erwähnten Ursachen unglaublich schnell vorwärts. Die üppigste Erndte machte Spanien; ihm öffneten sich die Schätze von Potosi in Peru, von Zakatekas in Meriko; Macht und Reichthum strömten in seinen Schooß. – Karl V. war der gewaltigste Monarch der Erde. Dem Erben seiner Kronen, Philipp II., hinterließ er von seinen Eigenschaften nichts, als seine grenzenlose Herrschsucht. Philipp, schon Herr der unermeßlichen Schätze der neuen Welt, ward, durch den bald darauf erfolgenden Anfall Portugals, auch noch alleiniger Herr Indiens. Niemals war so viel Macht in eines Menschen Händen vereinigt! Aber was sollte das Reich des Handels in den Händen eines Despoten, der bei grenzenloser Herrschsucht von einem schlechten, entarteten Herzen und blinden Religionsfanatismus geleitet wurde? eines Fürsten, der die Nationen, die seinem Zepter gehorsamten, statt sie zu einer allgemeinen Glückseligkeit, welcher der Mensch durch Aufklärung, Wohlhabenheit und Fleiß theilhaftig werden kann, zu erziehen, nur unter seine Füße zu treten bestrebt war? eines Tyrannen, vor dessen Augen kein Mensch Gnade gefunden, der der Menschenwürde sich bewußt war, sondern nur der einzelne Knecht und der blinde Vollstrecker seines oft teuflischen Willens? In seinen Händen verwandelte sich, was in
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/182&oldid=- (Version vom 10.6.2024)