Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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angemessenen Lage für sich und die Seinigen – zu ringen. Wer zu solchem Vorsatz sich nicht erheben kann, der ertrage sein Schicksal und bleibe zu Hause; oder er gehe, und sey sicher der fürchterlichsten Täuschung. Viele gingen ohne Muth, ohne Geschick, ohne Arbeitslust, unfähig zu den Anstrengungen, die die Gründung einer ersten Niederlassung in Wäldern, die noch nie den Axthieb des Holzhauers schallen gehört, erheischen; – Viele auch, die in Europa nie ein Geschäft geführt oder gewußt, was es sey, unter dem Schweiße seines Angesichts sein Brod zu essen, gingen hin – und Elend war in Amerika ihr Loos. Manche gingen an unfruchtbaren Kenntnissen reich, für die sie Anstellung und üppigen Lohn zu erndten hofften; aber sie bedachten nicht, daß dort die Staatsmaschine ohne die Tausend und aber Tausend Räder geht und gut geht, welche sich, rasselnd und klappernd, in der europäischen bewegen, und daß die meisten Aemter da drüben Ehrenämter sind, in welche der schlichte Verstand und der redliche, patriotische Sinn zu Rathe sitzen, nicht aber pedantische Gelehrtheit oder die Weisheit der Pandekten und des Korpus Juris. Noch Andere gingen in der Meinung, der Amerikaner stehe auf einer tiefen Stufe der Unwissenheit in Handel, Industrie, Ackerbau und Gewerbe, und unter einem solchen Volke könne man mit etwas Pfiffigkeit, wenig Mühe und wenig Wissen bald zu Ansehen und zu Vermögen gelangen; aber wie erschraken diese, als sie das aufgeklärteste, klügste, fleißigste Volk der civilisirten Welt fanden, das in allen Gebieten des fruchtbringenden Wissens, in Künsten und Gewerben, das Höchste leistet, und bei dem nicht Unterricht zu geben, sondern zu nehmen sey! Alle Auswanderer der Art verfehlten ihr Ziel gänzlich, und Tausende solcher büßen jährlich ihre Thorheit in selbstverschuldetem Elende. Wenn sie nicht die Noth zum tüchtigen Gebrauch ihrer Arme ermuthigt, so gehen sie schmählich unter. Für Solche sey der Name Amerika ein Wort der Warnung! –
In unserm Bilde ist die erste Niederlassung eines Auswanderers treu veranschaulicht. Ein Stück vortreffliches Waldland, von dem man überall 100 Morgen vom Staate für 125 Dollars kauft, bilden des Ansiedlers Besitzthum. An der dasselbe durchschneidenden Straße, nahe einer Felsenquelle, hat er sich mit Hülfe der Kolonisten in seiner Nachbarschaft sein Blockhäuschen aus Baumstämmen und Brettern erbaut. Ein Pferd, eine Kuh, einige Schaafe, Schweine, Hühner – damit beginnt er seine Wirthschaft. Noch hat er das schwere Geschäft des Urbarmachens, des Ausrodens des Waldes vor sich; doch hat er bereits einen Anfang gemacht, wie ein paar gefällte und verbrannte Baumstämme im Vorgrunde andeuten. Mit der Axt auf der Schulter schreitet er eben dem Gehölze zu, das saure Tagewerk noch bei Mondschein fortzusetzen.
Ein solches Blockhäuschen ist freilich eine gar ärmliche Wohnung, schlechter als sie der ärmste Landmann in Deutschland besitzt; aber in ihr haust der Ansiedler auch nur ein, höchstens die zwei ersten Jahre. War er tüchtig
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/158&oldid=- (Version vom 9.6.2024)