Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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Ansicht des Stadthauses, jetzt des königlichen Schlosses.
Von dem hochumgürteten Felsengestade des stolzen Britanniens wenden wir uns nach den niedrigen Dünen Hollands, dem Lande der Wunder des beharrenden menschlichen Fleißes. Unter allen fesselt seine Metropole unsere Aufmerksamkeit; doch ehe wir zu ihr gelangen, wollen wir das Land erst besehen, ein in seiner Gesammtheit noch weit größeres Wunder als jene.
Der Kern Hollands, welcher von den Städten Amsterdam, Arnheim, Rotterdam und Harlem begrenzt wird, war ursprünglich theils ein unergründlicher Morast, theils eine dürre Sandwüste, welche nicht einmal Haidekraut trug. Der Fleiß von 2 Jahrtausenden hat diesen Fleck der Erde, der zu ewiger Unfruchtbarkeit verdammt schien, in einen weiten Garten umgeschaffen, der eine Bevölkerung im Wohlstand ernährt, so dicht, wie auf keinem andern Punkte der Welt sie sich findet. Zwar gibt es in diesem endlosen Parke weder Felsen, noch Berge, noch Hügel, noch Wasserfälle, noch Wälder, noch eine von allen sonstigen Eigenthümlichkeiten einer romantischen Natur; aber die hohen Dämme, auf welche die mit gebrannten Steinen, eben wie der Boden eines Zimmers gepflasterten Chausseen zuweilen hinansteigen, die Menge, große Massen bildender Landsitze, Gebäude und Thürme, die vielen aus Wiesen, Ebenen oder über klare Seen auftauchenden kolossalen Baumgruppen geben der Landschaft eben so viel Abwechselung von Höhe und Tiefe, als malerische Ansichten der verschiedensten Art. Städte, Dörfer, Schlösser mit ihren reichen Umgebungen, Villen von jeder Bauart mit den niedlichsten Blumengärten, die von Canälen mit Brücken eingehägten Felder, unabsehbare Grasflächen mit Tausenden von weidenden Kühen, Seen, die, im Umfang von 20 Meilen, blos durch Dorfstich nach und nach entstanden, unzählige Inseln, wo das baumlange Schilf, zum Decken der Dächer sorgfältig angebaut, Myriaden von Wasservögeln zur Wohnung dient – Alles das bietet sich fortwährend die Hand zu einem freudigen Reigen, in dem man durch die flüchtigen Pferde auf den schnurgeraden, gleisenlosen, völlig ebenen Straßen fortgerissen wird, während immer neue Palläste, immer andere Städte am Horizont erscheinen, und ihre hohen gothischen Thürme in dämmernder Ferne mit den Wolken verschmelzen. Eben so läßt in der Nähe eine oft
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/127&oldid=- (Version vom 6.6.2024)