verstand sich hier die Antwort gleichfalls von selbst: – „Wenn er am nächsten mit der Schönheit in Verbindung steht; der Tod eines schönen Weibes ist unzweifelhaft der poetischste Gegenstand von der Welt – und eben so sehr steht es außer Zweifel, dass die Lippen eines Geliebten, der sie verloren, sich vor allen andern für solch einen Gegenstand eignen.“
Ich hatte jetzt die beiden Vorstellungen eines Liebenden, der um seine verstorbene Geliebte klagt, und eines Raben, der beständig das Wort „Nimmermehr“ wiederholt, mit einander zu kombinieren. Ich hatte Dies zu thun, indem ich meines Vorsatzes eingedenk bliebe, bei jeder Gelegenheit die Anwendung des wiederholten Wortes zu variieren; allein die einzig verständige Art einer solchen Kombination war die Vorstellung, dass der Rabe das Wort als Antwort auf die Fragen des Liebhabers spräche. Und hier sah ich sogleich den Vortheil, der sich mir für den gewünschten Effekt böte, – für den Effekt einer beständigen Variation der Anwendung des Refrains. Ich sah ein, dass ich die erste Frage des Liebenden – die erste Frage, auf welche der Rabe: „Nimmermehr“ antworten sollte – dass ich diese erste Frage zu einer ganz gewöhnlichen machen könne, – die zweite schon weniger, – die dritte noch weniger gewöhnlich, und so fort, – bis zuletzt der Liebende, durch den schwermüthigen Charakter des Wortes selbst, durch dessen häufige Wiederholung, und durch die Erinnerung an den ominösen Ruf, in welchem der Vogel steht, der es ausspricht, – bis er zuletzt, durch alles Dieses aus seiner anfänglichen Gleichgültigkeit aufgestört, abergläubisch erregt wird und Fragen von ganz andrer Bedeutung – Fragen, deren Lösung sein Herz leidenschaftlich begehrt – wild hervorstößt, halb abergläubisch und halb in jener Art Verzweiflung, die Freude daran findet, sich selbst zu quälen, – nicht eigentlich weil er an den prophetischen oder dämonischen Charakter des Vogels glaubt (der, wie die Vernunft[WS 1] ihm sagt, nur ein durch Übung erlerntes Wort wiederholt), sondern weil
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Vernuuft
Adolf Strodtmann: Lieder- und Balladenbuch amerikanischer und englischer Dichter der Gegenwart. Hoffmann & Campe, Hamburg 1862, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lieder_und_Balladenbuch-Strodtmann-1862.djvu/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)