erzieherisch auf Lea einwirken zu wollen, gab sie ihre Bemühungen auf und liess Lea gänzlich ihre eigenen Wege gehen und kümmerte sich nicht mehr im geringsten um deren Thun und Lassen.
Damit kam sie am weitesten. Denn Lea machte ihrer Tante stets eine heftige Scene, wenn diese versuchte, Leas Anordnungen nach ihrem Geschmack umzumodeln.
Nun that sie, was das junge Mädchen wünschte, und auf die Weise lebten die beiden ruhig und ohne die geringste gegenseitige Zuneigung nebeneinander her.
Leas Wohnzimmer, das zugleich Arbeitszimmer und Boudoir war, lag nach hinten hinaus, mit Aussicht auf die Dammthoranlagen.
Die eigentümliche Einrichtung liess auf den Charakter der Bewohnerin schliessen.
In dem ganzen Raum herrschte eine gewisse Unordnung, die aber dabei doch nicht der Symmetrie entbehrte ... ein ziemlich grosser Schreibtisch stand quer vor dem breiten Fenster, – links davon eine nackte Venusstatue und rechts zum Schrecken der Tante ein nicht minder nackender Apoll. Durch die Aufstellung dieser beiden Statuen war Leonore ein für
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/33&oldid=- (Version vom 24.10.2016)