„Die Liebe, die ich für mich haben möchte, ist doch vielleicht – –“ er seufzte – „ich werde mich Ihnen nicht verständlich machen können ...“
„O, sprechen Sie nur,“ ermutigte sie, „ich werde Sie schon verstehen! Wo der Verstand nicht ausreicht, verstehe ich Sie mit dem Herzen ... reden Sie nur!“
„Nun sehen Sie,“ begann er, – „ich, ich glaube allenfalls, dass vielleicht einmal ein weibliches Wesen imstande ist, mich seelisch zu lieben, – aber, aber – es würde sich immer von meinem Aeusseren abgestossen fühlen, und ich – –“ er vollendete nicht, sondern blickte traurig vor sich nieder.
„Und Sie wollen auch sinnlich geliebt sein,“ beendete sie ruhig seinen Satz. „Ich begreife, dass gerade Ihnen eine nur seelische Liebe nicht genügen kann ... überhaupt, ich könnte mir die seelische und die sinnliche Liebe auch nicht getrennt vorstellen, – wenigstens möchte ich sie nicht getrennt wissen!“
„O, Sie haben mich verstanden,“ rief er aus und sah sie dankbar und bewundernd an.
Woher nahm sie den Mut, so gleichmütig über solch heikle Dinge zu reden.
„Ich habe auch eine sinnliche Natur,“
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/22&oldid=- (Version vom 24.10.2016)