„Gar nicht. 25 Jahre!“
„O, das hätte ich nicht geglaubt!“
„Nein,“ meinte sie gleichmütig, „man hält mich gewöhnlich für jünger.“
Beide schwiegen einen Augenblick, dann begann sie wieder:
„Als ich ein Kind war, liebte mich ein jüdisches Ehepaar. Sie hatten ihre Tochter verloren, die in meinem Alter gewesen war und mir ähneln sollte. Das Mädchen hiess Lea, und da kürzten die beiden meinen Namen auch in Lea ab. Die haben mich wirklich geliebt .... aber damals empfand ich es nicht so. Ich freute mich nur sehr, dass sie mich Lea nannten. Nora, das klingt so, als ob man etwas von der Person, die den Namen trägt, erwartet ... Lea, – das klingt so weich!“
„Lea –,“ sagte er leise ...
Sie sah ihn still an, und beide schwiegen wieder.
Nach einer Weile:
„Aber wir sind vom Thema abgeschweift, – ich sagte Ihnen, dass es thöricht von Ihnen sei, wegen Ihres Gesichtes zu trauern.“
„Ich verstehe Sie nicht.“
„Sehen Sie, wenn Ihnen jemand sagt, dass er Sie liebt, dann können Sie es unbedingt glauben. Aber ich ... ich bin
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/20&oldid=- (Version vom 24.10.2016)