Zum Inhalt springen

Seite:Leuchtturmtragödien.pdf/7

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Leuchtturmtragödien ( Illustrierter Deutscher Flotten-Kalender, 16. Jahrgang)

Der Kapitän dieses Schiffen hat später auf Veranlassung der mexikanischen Regierung vor dem Seeamt über seine Beobachtungen an diesem Tage folgende eidliche Erklärung abgegeben: „Ich war, um mein Schiff vor der drohenden Sturmflut in Sicherheit zu bringen, bei den ersten Anzeichen des Südweststurmes umgekehrt und in der Bucht von Maria Cruz vor Anker gegangen. Um 3 Uhr nachmittags setzte, wie ich vorausgesehen hatte, die Sturmflut ein. Als mein erster Steuermann, der mit einem Glase die in den Golf hereinstürmenden haushohen Wogen verfolgte, mich darauf aufmerksam machte, daß der Leuchtturm auf der Spitze der Halbinsel in beängstigender Weise hin und her pendele, nahm ich gleichfalls ein Glas zur Hand und schaute nach dem Turme hinüber, der bis zur halben Höhe fast ständig von den Wellen eingehüllt war. Um 4 Uhr 15 Minuten konnte man deutlich bemerken, daß der Leuchtturm nach Nord hin vollständig schräg stand, sich also offenbar von seiner Verankerung gelöst hatte. Eine weitere Viertelstunde später stürzte er dann urplötzlich um und verschwand in den hochgehenden Wogen. Als am folgenden Morgen der Sturm vorüber war und infolge abermaligen Umspringens des Windes nach Nord die Flut sich schnell verlief, tauchte der umgestürzte Turm langsam aus den Wassern wieder auf. Ich ließ gegen Mittag das Großboot aussetzen und nach der Unglücksstelle hinüberrudern. Es gelang uns, in den Turm hineinzukommen. In dem Maschinenraum fanden wir die Leichen der vier ertrunkenen Wärter, die aber, um erst das Eintreffen des Regierungsdampfers aus Tuxtla abzuwarten, unberührt blieben. Schon am Nachmittag war es möglich, den Platz, wo der Turm gestanden hatte, genauer zu besichtigen. Es ergab sich, daß die eisernen Grundpfeiler, die mit Blei in den Felsen eingegossen waren, sich sämtlich gelockert hatten und mindestens einen halben Meter durch das Pendeln des Turmes herausgezogen worden waren. Die Pfeiler an der Südseite hatten dann den ungeheuren Druck des Orkanes und der Wellen nicht ausgehalten und waren geborsten, so daß der Turm in der Windrichtung umstürzen musste.“


Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Leuchtturmtragödien ( Illustrierter Deutscher Flotten-Kalender für 1916, 16. Jahrgang). Wilhelm Köhler, Minden 1915, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leuchtturmtrag%C3%B6dien.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)