Don Juan.
Du mußt an meine Weise dich gewöhnen.
Ich fliehe Ueberdruß und Lustermattung,
Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen,
Die Einzle kränkend, schwärm’ ich für die Gattung.
Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft,
Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft.
Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandre
Im weiten Kreis der schönen Frauen,
Ist meine Lieb’ an jeder eine andre;
Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen.
Ja! Leidenschaft ist immer nur die neue;
Sie läßt sich nicht von der zu jener bringen,
Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen,
Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue.
Wie jede Schönheit einzig in der Welt,
So ist es auch die Lieb’, der sie gefällt.
Hinaus und fort nach immer neuen Siegen,
So lang der Jugend Feuerpulse fliegen!
Diego.
So lang sie fliegen! – wenn sie schleichen werden?
Hast du denn eine Jugend nur auf Erden?
Nicolaus Lenau: Nicolaus Lenau's dichterischer Nachlaß. J. G. Cotta, Stuttgart und Augsburg 1858, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lenau_-_dichterischer_Nachlass,_1858.djvu/28&oldid=- (Version vom 27.11.2022)