den Bienen. Als ich also dies mit mir reiflich überlegte: so bewog mich die Verachtung, welche ich wegen der Neuheit und scheinbaren Widersinnigkeit meiner Meinung zu fürchten hatte, fast, dass ich das fertige Werk ganz bei Seite legte.
Aber meine Freunde brachten mich, der ich lange zauderte und sogar mich widersetzte, davon wieder ab; unter ihnen vorzüglich der in jeder Art des Wissens berühmte Cardinal von Capua, Nicolaus Schonberg; nächst ihm mein sehr geliebter Tidemann Giese, Bischof von Culm, der sich mit gleichem Eifer der Kirche und allen guten Wissenschaften widmet. Dieser nun hat mich oft ermahnt, und durch zuweilen hinzugefügte Vorwürfe angetrieben, dass ich mein Buch herausgeben sollte, welches bei mir nicht neun Jahre nur, sondern bereits in das vierte Jahrneunt hinein verborgen gelegen hatte. Dasselbe verlangten von mir nicht wenige andere ausgezeichnete und sehr gelehrte Männer, indem sie mich ermahnten, dass ich nicht länger wegen der gehegten Besorgniss verweigern sollte, mein Werk dem allgemeinen Nutzen der Mathematiker zu weihen. Sie sagten, dass, je widersinniger jetzt meine Lehre von der Bewegung den Meisten erschiene, sie desto mehr Bewunderung und Dank ernten werde, wenn Jene durch die Herausgabe meiner Commentare den Nebel des Widersinnigen durch die klarsten Beweise beseitigt sehen würden. Durch solche Ermahnungen also, und durch diese Hoffnung bewogen, gab ich endlich meinen Freunden nach, dass sie die Herausgabe des Werkes, die sie so lange von mir gewünscht hatten, bewirken könnten.
Aber Deine Heiligkeit wird vielleicht nicht sowohl darüber verwundert sein, dass ich es gewagt habe, diese meine Nachtarbeiten zu Tage zu fördern, nachdem ich mir bei der Ausarbeitung derselben so viele Mühe gegeben habe, dass ich ohne Scheu meine Gedanken über die Bewegung der Erde den Wissenschaften anvertrauen kann; — sondern erwartet vielmehr, von mir zu hören, wie es mir in den Sinn gekommen ist, zu wagen, gegen die angenommene Meinung der Mathematiker, ja beinahe gegen den gemeinen Menschenverstand, mir irgend eine Bewegung der Erde vorzustellen. Deshalb will ich Deiner Heiligkeit nicht verhehlen, dass mich zum Nachdenken über eine andere Art, die Bewegungen der Weltkörper zu berechnen, nichts Anderes bewogen hat, als weil ich sah, dass die Mathematiker selbst bei ihren Untersuchungen hierüber mit sich nicht einig sind. Denn erstens sind sie über die Bewegung der Sonne und des Mondes so ungewiss, dass sie die ewige Grösse des vollen Jahres nicht abzuleiten und zu beobachten vermögen. Zweitens wenden sie bei Feststellung der Bewegungen, sowohl jener, als auch der übrigen fünf Wandelsterne, weder dieselben Grund- und Folgesätze, noch dieselben Beweise für die erscheinenden Umkreisungen und Bewegungen an. Die Einen bedienen sich nämlich nur der concentrischen, die Andern der excentrischen und epicyclischen Kreise, durch welche sie jedoch das Erstrebte nicht völlig erreichen. Denn Diejenigen, welche sich zu den concentrischen Kreisen bekennen, obgleich sie beweisen,
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Nürnberg und Thorn 1879, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)