Denn es ist hinlänglich bekannt, dass diese Lehre die Ursachen der scheinbar ungleichmässigen Bewegungen einfach gar nicht kennt; und wenn sie welche in der Vorstellung erdenkt, wie sie denn sicherlich sehr viele erdenkt: so erdenkt sie dieselben keineswegs zu dem Zwecke, um irgend Jemanden zu überreden, dass es so sei, sondern nur dazu, damit sie die Rechnung richtig begründen. Da aber für eine und dieselbe Bewegung sich zuweilen verschiedene Hypothesen darbieten, wie bei der Bewegung der Sonne die Excentricität und der Epicyclus, so wird der Astronom diejenige am liebsten annehmen, welche dem Verständnisse am Leichtesten ist. Der Philosoph wird vielleicht mehr Wahrscheinlichkeit verlangen. Keiner von Beiden wird jedoch etwas Gewisses erreichen, oder lehren, wenn es ihm nicht durch göttliche Eingebung enthüllt worden ist. Gestatten wir daher auch diesen Hypothesen, unter den, durch Nichts wahrscheinlicheren, alten bekannt zu werden, zumal da sie zugleich bewundrungswürdig und leicht sind, und einen ungeheuren Schatz der gelehrtesten Beobachtungen mit sich bringen.
Möge Niemand in Betreff der Hypothesen etwas Gewisses von der Astronomie erwarten, da sie Nichts dergleichen leisten kann, damit er nicht, wenn er das zu anderen Zwecken Erdachte für Wahrheit nimmt, thörichter aus dieser Lehre hervorgehe, als er gekommen ist. Lebe wohl. —
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Nürnberg und Thorn 1879, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)