er keine Freunde und dieselben luden ihn auch niemals zu ihren Spielen ein. Nachdem er eine Zeit lang als Reporter an einem Landblättchen thätig gewesen war und sich dann als Novellist versucht hatte, wandte er sich dem Studium der Natur zu und trieb sich, wozu er auch durch seine schwankende Gesundheit veranlaßt wurde, fleißig im Freien herum. Die Naturbilder, die er nun schuf, gehören besonders durch ihre glänzende Detailmalerei zu den hervorragendsten ihrer Gattung. Ein eigentlicher Naturforscher war er ebensowenig wie Thoreau. Wie dieser predigte er die Rückkehr zur Natur, um die Menschen von den entnervenden Künsteleien der Civilisation zu befreien, aber die Sympathie des Amerikaners mit der Thierwelt theilte er nicht. Thoreau sagt, daß der Hase, wenn er in Gefahr gerathe, wie ein Kind weine; Jeffries hingegen behauptet, daß der Hase augenscheinlich nur geschaffen sei, um auf ihn Jagd zu machen. Aufrichtiger aber als Thoreau nimmt er die Partei des Lohnarbeiters, für dessen Dynamitattentate er nur den herzlosen Arbeitgeber verantwortlich macht. Die Existenz der Armenhäuser bezeichnet er als die größte Schmach der Civilisation; Nahrung, Kleidung und Obdach liefert die Natur für Alle in Hülle und Fülle und man braucht diese Dinge nur gerecht zu vertheilen.
Auch der Engländer Edward Carpenter und der Amerikaner John Burroughs gelten mit Recht als Schüler Thoreau’s; ebenso der nun verstorbene Schweizer H. F. Amiel, der, nachdem er in Berlin und Heidelberg studirt, in Genf eine Professur für Aesthetik und Philosophie bekleidete. Sein Werk „Fragments d’un journal d’intime“ (6. Aufl. 1893), von dem Frau H. Ward eine englische Uebersetzung lieferte, zeigt ihn uns als gefühlvollen und geistreichen Interpreten der Natur und zugleich als einen der elegantesten Stylisten seiner Zeit. In Frankreich hat man ihn jedoch bis jetzt ziemlich unbeachtet gelassen.
Karl Knortz: Ein amerikanischer Diogenes (Henry D. Thoreau). Verlagsanstalt und Druckerei A.-G., Hamburg 1899, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Knortz-Ein_amerikanischer_Diogenes_(Henry_D.Thoreau).djvu/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)