Das amerikanische Leben ist nicht geeignet, den Hang zur beschaulichen, träumerischen Einsamkeit oder dauernden Zurückgezogenheit zu fördern; denn der dasselbe durchdringende und treibende demokratische Geist zwingt den Menschen unwillkürlich, wenn nicht an allen, so doch an den wichtigsten, sich auf die allgemeine Wohlfahrt beziehenden Fragen thatkräftig theilzunehmen.
Wer sich also hier einem einfachen, die ganze Welt verachtenden Diogenesleben ergiebt, setzt sich, einerlei, was auch die Beweggründe dafür sein mögen, leicht der Gefahr aus, daß sein Gesundheitszustand von der hohen Obrigkeit geprüft und daß er, je nach dem Resultate dieser Untersuchung, entweder in ein Irrenhaus gesperrt oder der sogenannten Heerdenmenschheit wieder einverleibt wird.
Das öffentliche Leben Amerikas ist das Product seiner gleichberechtigten Bürger, und jeder Einzelne ist mithin für die Gestaltung desselben je nach dem Maaße seines persönlichen Einflusses verantwortlich. Zeigt dasselbe nun Schattenseiten, so ist jedem Bürger dadurch einfach die moralische Aufgabe gestellt, dieselben durch geeignetes Einwirken auf die regierende Volksmasse zu beseitigen; sich aber von letzterer schmollend abzusondern und sich in irgend einen abgelegenen Winkel zu verkriechen, um den müßigen Welt- und Menschenfeind zu spielen, ist offenbarer, durch nichts zu entschuldigender Wahnsinn.
Karl Knortz: Ein amerikanischer Diogenes (Henry D. Thoreau). Verlagsanstalt und Druckerei A.-G., Hamburg 1899, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Knortz-Ein_amerikanischer_Diogenes_(Henry_D.Thoreau).djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)