„Arbeiten? Warum?“
„Um Geld zu haben.“
„Geld? Warum nimmst du nicht meines?“
„Weil ich eine selbständige Welle bin, wie das alte Buch in der Türkenbude sagt.“
Günther seufzte: „Die Liebe müßte eine schöne, tödliche Krankheit sein. Man liebt sich – und man weiß – das Ende kommt dann und dann, – und die Liebe wird immer hastiger – man hat Eile, sie ganz zu genießen. Nur noch zwei Tage – noch eine Nacht. Aber so …“
Mareile setzte sich auf Günthers Schoß. Er tat ihr leid, und doch freute sie sich daran, wieviel stärker sie als dieser Mann war, und wie fest sie ihn hielt. Das machte ihn ihr noch lieber. „Warum,“ sagte sie und lächelte noch immer, als spräche sie freundlich zu einem Kinde, „warum soll die Liebe nicht das Leben sein? Sie ist da. Wir gehn unseren Geschäften nach – leben unsern Werktag – aber wir wissen, sie ist da – sie wartet auf uns. Erinnerst du dich des Gefühles, das wir am Sonnabend nachmittag hatten.“
„Ja – ja – das war famos!“
„Sieh – so ’n Gefühl gibt die Liebe dem ganzen Leben, immer wartet ein Festtag auf uns.“
„Ja, aber dann, die verfluchten Sonntagabende,“ wandte Günther ein. Seine trübe Laune wollte nicht weichen. „Ja, ihr seid klug, ihr Ziepes. Man tut seine Arbeit, hat seinen Bechstein, sein Galléglas, seinen Grafen, seine Liebe, Ordnung muß sein.“
Mareile erwiderte nichts, sie wandte nur ihre Arme fester um Günthers Nacken und küßte ihn, küßte ihn so
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)