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Seite:Keplers Traum 106.jpg

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macht die Richtung, nach welcher die Sonne auf Erde und Mond einwirkt, mit der vom Monde zur Erde gedachten einen schiefen Winkel. Dadurch entsteht nicht sowohl ein direktes Nähern und Entfernen, sondern vielmehr ein Vor- und Rückwärtsschieben des Mondes in Bezug auf seinen Ort: er muss demnach im II. und III. Quadranten seiner Bahn voraus sein, während er im IV. und I. Quadranten hinter dem ungestörten Ort zurückbleibt [Fig. 13, V.]. Diese Störung, die von Tycho Brahe um 1590 entdeckt wurde, nennt man die Variation; sie ist kleiner als die Evektion, indem sie nur eine Ortsveränderung des Mondes von nahezu 36 Bogenminuten bewirken kann; ihre Periode beträgt 143/4 Tage.

Der Lauf des Mondes ist im Winter etwas langsamer als im Sommer, denn da die Erde sich in einer Ellipse um die Sonne bewegt, muss die störende Kraft der letzteren abnehmen oder zunehmen, je nachdem die Erde sich dem Aphel nähert – der Sonne also entfernter ist – oder dem Perihel, wo sie ihr am nächsten ist. Zu Anfang Januar wird daher die Entfernung des Mondes von der Erde etwas grösser sein und er sich langsamer um die Erde bewegen als zu Anfang Juli. Diese Ungleichheit der Mondbewegung führt den Namen ‚jährliche Gleichung‘, weil sie vom Erdjahr abhängig ist, sie bewirkt, dass der Mond im Frühjahr etwa 11 Minuten hinter seinem mittleren Ort zurückbleibt, im Herbst dagegen demselben um ebensoviel vorauseilt, ist also noch weit kleiner als die Variation; s. auch C. 79. [111].

Die Variation verursacht es vorzugsweise, dass die Lage der Apsidenlinie, d. h. die Verbindungslinie derjenigen Punkte der elliptischen Mondbahn, in denen die Erdnähe und Erdferne eintritt, sich verändert, so zwar, dass diese Punkte in jedem Jahre ungefähr um den Betrag von 403/4° vorschreiten, also in etwa 85/6 Jahren – genauer 8 Jahren 310 Tagen 14 Stunden – einen ganzen Umlauf durch die Bahn vollenden. Auch die Knotenlinie der Mondbahn, d. h. die Linie durch die Durchschnittspunkte der Mond- und Erdbahn, verändert hierdurch ihre Lage, indem sich die Knotenpunkte in der Weise auf der Ekliptik verschieben, dass sie der Bewegung des Mondes entgegenkommen; sie weichen

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 078. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_106.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)