Danach muss noch Kepler selbst in Sagan, nicht lange vor seiner sorgenvollen Reise nach Regensburg zum Reichstag, wo er, all seiner Hoffnung beraubt, am 15. Nov. 1630 starb, den Druck des Buches begonnen haben. Nach seinem Tode übernahm Bartsch[1] die Herausgabe, aber – ein eigenthümliches Verhängniss – auch er starb vor der Vollendung. Nun fiel die Sorge der Drucklegung auf den Sohn Ludwig, der es für Sohnespflicht hielt, den Ruhm seines grossen Vaters der Nachwelt unverkürzt zu überliefern. Er gab dem Buche auch den Appendix[2] bei, einen Brief Keplers an den Jesuiten Guldin. Dieser Brief ist nicht datirt, er stammt aus Linz und ist wahrscheinlich gleich nach 1623 geschrieben. Der Schlusssatz des Briefes und die Noten dürften späteren Datums und erst zum Zweck der Veröffentlichung von Kepler hinzugefügt sein.
So erschien das Werk endlich im Jahre 1634 zu Frankfurt a. M. im Selbstverlag der Erben des Verfassers. Auch über der Verbreitung waltete ein trübes Schicksal. Der ‚Traum‘ erschien zu einer Zeit, wo die kriegerischen und politischen Ereignisse fast ganz Europa beherrschten, wo Unwissenheit und der krasseste Aberglaube jedem Versuch der Aufklärung und des Fortschritts entgegentraten. Das mochte auch Ludwig ahnen, als er das Werk, entgegen der Absicht seines Vaters, der es seinem Freunde Bernegger zueignen wollte, in einer rührenden, zum Schluss Gebetform annehmenden Dedication dem Schutze und der Gunst des für die Astronomie begeisterten, gelehrten Landgrafen Philipp von Hessen[3] empfahl. Hätte so eine zweifelhafte Aufnahme des von Kepler hinterlassenen Werkes damals eine gewisse Berechtigung gehabt, so ist es befremdend, dass auch heute noch, wo alle übrigen Werke Keplers längst die verdiente Anerkennung gefunden, der Traum vom Monde ganz unbeachtet geblieben ist. Man hielt und hält ihn für ein mystisches Werk und die Sprache, in der es geschrieben, ist auch für die Allgemeinheit wenig geeignet, dies Missverständniss aufzuklären. So, vergessen und verkannt, konnte es geschehen, dass man Ansichten, die schon Breitschwert, ein sonst sehr gut unterrichteter und begeisterter Biograph Keplers, aussprach, selbst von Fachgelehrten wiederholen hört: dass nämlich das ‚Somnium‘ gar kein astronomisches Buch sei, sondern eine
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite XIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_017.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)