Unter den Berufenen war auch Dr. Martin Deutinger, welcher das christliche Princip der Philosophie mit der ganzen Wucht seines vielseitigen Wissens verfocht. Mit seinem farbenglühenden Redefluß und der sprühenden Heiterkeit seines Geistes übte er gleich einem Zauberer großen Einfluß auf einen Theil der Jugend. Anderseits war an dem wetterschweren Nachthimmel der grollenden Revolution plötzlich, gleich einem Lichtgestirn, die süße Dichtung der „Amaranth“ aufgegangen und stimmte alle unbefangenen Seelen zu sanfter, schwärmerischer Lyrik. Franz Bonn gewann, durch den persönlichen Umgang mit Deutinger und Redwitz gefördert, die entscheidende Bestimmung, faßte festen Fuß auf dem positiven Boden und errang jene leichte spielende Form des Vortrags, zwei Vorzüge, welche in seiner durchweg graziösen Natur gleich einem werthvollen Rohmaterial schon reichlich vorhanden lagen.
Der ersten Frucht – die vorwiegend lyrische Dichtung „Wolfram[1]“ – welche unser junger Poet vom Baume der Erkenntniß brach, fehlte natürlich die völlige Reife. Sie litt an einer weichen Sentimentalität und Selbstgefälligkeit. Die jungen poetischen Geister coquettirten mit einer entsagungsbereiten Demüthigkeit und Opferwilligkeit, die ihnen gar nicht ernst war. Jeder dürstete nach Ruhm und jugendfrohem Lebensgenuß, und die Opferströme von Weihrauch, welche der Eine, eben nicht zu seinem geistigen Wohlseyn, in unförderlichem Quantum genoß, störten ihre Träume. Dem Dichter des „Wolfram“ aber erwuchs davon ein doppelter Nachtheil. Einerseits hatte er gewagt, seinen Stoff in die Gegenwart zu verlegen und dadurch auf das malerische romantische Costüm zu verzichten, welches einen so mittelalterlichen Schimmer um die „Amaranth“ wob. Sodann erschien der „Wolfram“ zu einer Tageszeit, in welcher sein
- ↑ Wolfram. Dichtung von Franz Bonn. Regensburg 1854. Fr. Pustet, VIII. u. 176 S. 8°.
Joseph Kehrein: Der bayerische Dichter Franz Bonn. In Commission der Literarisch-artistischen Anstalt, München 1881, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kehrein_Franz_Bonn.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)